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Egetürk: Patriarchales Familienunternehmen gegen Tarifvertrag und Gewerkschaften

„Wir sind eine Familie. Wir regeln unsere Probleme ohne Gewerkschaften.“ Solche oder ähnliche Sätze hören die Mitarbeiter beim türkischen Fleischverarbeitungsunternehmen Egetürk Wurst- und Fleischwarenfabrikation GmbH & Co. KG in Köln-Feldkassel immer wieder, wenn sie Probleme im Betrieb ansprechen.

Das 1966 von Burhan Öngören gegründete Familienunternehmen wird seit 2004 von seinem Neffen Ahmet Emre Eden als Geschäftsführer geleitet. Er führt seitdem die Geschäfte seines Onkels in dessen Sinne weiter.

Der Name der Firma entspringt dabei im übrigen dem nationalistischen türkischen Spruch „Ege Türk‘tür!“ (Die Ägäis ist türkisch!) wie das Unternehmen auf seiner Homepage stolz präsentiert. Dies prägt bis heute die Stimmung im Unternehmen. Man möchte eine eingeschworene Belegschaft, welche nur für die Interessen des Unternehmens arbeitet und die eigenen hinten anstellt.

Patriarch entscheidet über Löhne und Arbeiterrechte

So scheint es für Geschäftsführer Eden vollkommen selbstverständlich zu sein, dass eine Gewerkschaft nichts in seinem Betrieb verloren hat. Die Bezahlung seiner Angestellten nach einem Tarifvertrag oder Gespräche über die Situation am Arbeitsplatz kommen für ihn nicht in Frage.

So werden die Löhne der Arbeiter von ihm und der Personalleitung wahllos festgelegt. Das führt dazu, dass Mitarbeiter welche die selben Tätigkeiten ausführen und gleich lange im Betrieb beschäftigt sind, unterschiedliche Gehälter ausgezahlt bekommen.

Arbeiter berichteten zudem der türkischen Zeitung Evrensel davon, dass die Geschäftsleitung ihnen selbst bei heißesten Temperaturen verboten habe Wasserflaschen mit an ihre Arbeitsplätze zu nehmen. Forderung nach Aufstellung eines Wasserspenders wurden vom Unternehmen abgelehnt (Evrensel 08.09.2019).

Hetze gegen den Betriebsrat und Drohung mit Arbeitslosigkeit

Anstatt auf die Forderungen aus der Belegschaft einzugehen und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie eine einheitliche Bezahlung nach einem Haustarifvertrag einzurichten, verstärkt Ahmet Eden seine gewerkschaftsfeindliche Haltung und droht Mitarbeitern mit Arbeitslosigkeit. Ganz nach der Devise: Die Mitarbeiter sollten besser ruhig ihrer Arbeit nachgehen, denn viele würden aufgrund ihrer schlechten Deutschkenntnisse auf dem Arbeitsmarkt nur schwer eine neue Stelle finden.

In einem anonymen Schreiben eines „besorgten Arbeitskollegen“, welches in der Firma ausgehängt wurde, wird gar eine drohende Schließung des Unternehmens und der Verlust vieler Arbeitsplätze herbei halluziniert.

Der Aushang lässt immer wieder bemühte Bausteinen aus dem Standard-Programm des Union Busting (Was ist das?) erkennen. Ziel: Die Belegschaft soll gespalten werden. Die Gefährdung der Firma wird nicht dem miserablen Management, sondern den demokratisch gewählten Vertretern der Belegschaft angelastet.

Täter-Opfer-Umkehr

Doch der anonyme Schreiber bei Egetürk geht mit seiner Hetze noch weiter. Nicht die Geschäftsführung, sondern der Betriebsrat würde das Arbeitsklima und die geordneten Arbeitsabläufe bei Egetürk stören. Die Folgen seien Unruhe und Stress, die zu Arbeitsunfällen führen könnten. Eine unverhohlene Drohung?

Keine Verhandlungen mit der Gewerkschaft

Seit Monaten versucht die Gewerkschaft NGG mit der Geschäftsführung von Egetürk ins Gespräch zu kommen und über einen Haustarifvertrag zu verhandeln. Doch alle Gesprächsangebote und vorgeschlagenen Termine wurden durch Egetürk bisher unbeantwortet verstreichen lassen.

Dabei ist die Ausgangssituation der Gewerkschaft für die Durchsetzung eines Tarifvertrags bei Egetürk durchaus gut. Im vergangenen Jahr konnte sie den Organisierungsgrad von zehn auf mehr als 60 Prozent steigern (Evrensel, 28.08.2019).

Kurz nachdem die Gewerkschaft die Bildung einer Tarifkommission bekanntgab, erhöhte der Geschäftsführer Eden die Gehälter der Mitarbeiter von selbst um 7 Prozent. Weder ist diese Erhöhung ausreichend, noch löst sie das Problem der willkürlich ungleichen Bezahlung und schlechter Arbeitsbedingungen.

Die Gewerkschaft strebt aufgrund der hochindustrialisierten Produktionsmethoden bei Egetürk für die Mitarbeiter einen Haustarifvertrag an, der sich an den Tarifverträgen der Industrie orientiert.

Warnstreik und Streikbrecherprämie

Da der Firmenpatriarch Eden sich stur stellt, rief die Gewerkschaft NGG die Mitarbeiter für den 27.08. und 08.10.2019 jeweils zu einem Warnstreik auf. Beim ersten Warnstreik haben die Mitarbeiter nur einige Stunden gestreikt, Anfang Oktober legten sie den ganzen Tag die Arbeit nieder. An beiden Tagen konnte die NGG jedoch jeweils nur weniger als die Hälfte der Arbeiter zum Streik motivieren.

Dies hängt sowohl mit der Hetze gegen die Gewerkschaft und den Betriebsrat im Betrieb zusammen, als auch mit einer ausgelobten Streikbrecherprämie zusammen. Jedem Arbeiter der nicht am 08.10. am Warnstreik teilnahm, versprach die Geschäftsführung eine 100 € hohe Streikbrecherprämie. Leider nahm ein Teil der Belegschaft diese Prämie dankend an.

„Wer den Willen seiner Beschäftigten und die Gewerkschaft als deren Interessenvertreterin nicht achtet, der darf sich nicht wundern, wenn die Leute vors Tor gehen“, so Thomas Bernhard Tarifverhandlungsführer der NGG.

Die NGG wird der Egetürk Geschäftsführung nun weitere Gesprächsangebote unterbreiten. Sollten diese weiter unbeantwortet bleiben, soll es zu weiteren Streiks kommen.

Heute ist die Egetürk Wurst- und Fleischwarenfabrikation GmbH & Co. KG Marktführer für türkische Fleischprodukte in Europa. Nach eigenen Angaben hat der Konzern einen europäischen Marktanteil an Halal-Produkten von mehr als 70%. Im Gewerbegebiet Köln-Feldkassel steht die 63.000 m² große Produktionshalle. Der Konzern produziert dort mit 170 Mitarbeitern rund 150 Tonnen türkischer Fleischprodukte täglich.

Die aktion./. arbeitsunrecht sammelt Informationen zum weiteren Verlauf des Konflikts – aber auch zu den Lieferanten und Großkunden von Egetürk (Kontakt hier).

Quelle: Aktion gegen Arbeitsunrecht

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