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Nach über einem Jahr: Einigung im Einzelhandel! – Der Kampf für höhere Löhne und gegen prekäre Arbeitsbedingungen geht weiter!

Am 04.07. endeten die Tarifverhandlungen im Einzelhandel in Berlin-Brandenburg nach über einem Jahr zähen Verhandlungen. Es waren die letzten noch offenen Verhandlungen in der Branche. Im Groß- und Außenhandel werden noch in einigen Bundesländern Verhandlungen geführt. Die Ergebnisse sind für alle Bundesländer sehr ähnlich und sieht eine Erhöhung der Löhne in drei Stufen vor:

– zum 1. Oktober 2023 um 5,3 Prozent
– zum 1. Mai 2024 um 4,7 Prozent
– Ab 1. Mai 2025 weitere 40 Euro plus 1,8 Prozent
– Auszubildendenvergütungen werden erhöht.
– Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000 Euro zum 1. Juni 2024 (Vollzeit)

Abschluss bedeutet Reallohnverlust

Die Laufzeit bis zum 30.04.2026 ist mit 36 Monaten sehr lang, vor allem in anbetracht der sich schnell veränderten Preisentwicklung. Allein die Inflationen für 2022 von 6,9% und 2023 von 5,9% sind durch die niedrigen Erhöhungen nicht ausgeglichen, was einen Reallohnverlust bedeutet. Ursprünglich gefordert von der Gewerkschaft ver.di wurden mindestens 2,50€ mehr Stundenlohn bei einer Laufzeit von einem Jahr.
Auffällig an den Verhandlungen war die besonders geringe Beteiligung an den Streiks. So wurden z.B. bei der Streikdemonstration in Berlin im Februar nur 1600 Beschäftigte gezählt, obwohl in der Region 150.000 Menschen im Einzelhandel arbeiten.

Prekäre Arbeitsverhältnisse

Der Einzelhandel ist ein Bereich, welcher sich durch besonders niedrige Löhne, 2277€ Brutto für Einzelhandelskaufmann/frau im Median, und prekäre Arbeitsbedingungen auszeichnet. Über 60% arbeiten in Teilzeit, ca. 40% bekommen zur Einstellung nur einen befristeten Vertrag. Das ist häufig symptomatisch für Branchen, in welchen besonders viele Frauen arbeiten, welche aufgrund der Mehrfachbelastung durch mehr Haus- und Sorgearbeit insgesamt häufiger in Teilzeit und in schlecht bezahlten Berufen arbeiten. Im Einzelhandel arbeiten außerdem viele junge Menschen, Schüler:innen oder Studierende, welche zu dem Einkommen ihrer Eltern dazu verdienen müssen. Da es nicht ihre Haupteinnahmequelle ist und sie meistens planen, nur vorübergehend in den Betrieben zu bleiben, können sie leichter zu Streikbrecher:innen instrumentalisiert werden. Man muss hierbei auch das Vorgehen der Gewerkschaft Ver.di unter die Lupe nehmen, welche sehr gering zu den Protesten und Streiks mobilisiert hat.
Als Betriebskampf haben wir mit einem Kollegen gesprochen, welcher im vergangenen Jahr in einem von den Verhandlungen betroffenen Betrieben als Minijobber tätig war. Er erzählt uns, wie er die Verhandlungen und Streiks wahrgenommen hat:

„Ich habe über den Zeitraum der Tarifverhandlungen in zwei deutschlandweit gut bekannten Unternehmen gearbeitet. Generell muss man sagen, dass der Organisationsgrad im Einzelhandel sehr gering ist und oft nur einzelne Kolleg:innen streiken. Meistens sind die gewerkschaftlichen Strukturen sehr schwach aufgestellt und in den meisten Fällen gibt es sie gar nicht. Das gilt besonders für Supermärkte und ähnliche Unternehmen, die als Franchise arbeiten.

Dann kann sich dein Chef nämlich alles leisten. Das geht von unbezahlten Überstunden, über Mobbing bis hin zu sich zwei Stunden lang im Büro anschreien lassen, wenn die Ware mal wieder nicht haargenau so verräumt wurde wie der Boss sich das vorstellt. An offene gewerkschaftliche Arbeit oder Streiken ist da nicht zu denken, wenn man seinen Job behalten möchte. Schon gar nicht als Aushilfe.

Aber auch in den größten Betrieben, das sind dann meistens Möbelhäuser oder Baumärkte, wird uns das Leben unnötig schwer gemacht. Ich selbst bin damals zum Beispiel unfreiwillig zum Streikbrecher geworden, weil ich erst in der Mittagspause davon mitbekommen habe, dass wir von ver.di zum Warnstreik aufgerufen wurden. Da gibt es dann nämlich für alle die trotzdem zur Arbeit kommen kostenloses Essen in der Mitarbeiterkantine. Von der Gewerkschaft kamen dazu fast gar keine Informationen. Letztendlich habe ich dann einen A4 Zettel mit kleiner Schrift am Blackbord der Betriebsrätin gefunden und das wars. Dabei gibt es grade im Einzelhandel genug Kolleg:innen, die die Schnauze gestrichen voll haben von ihren Arbeitsbedingungen. “

Wir müssen uns selbstständig organisieren!

Wir sagen, es ist Notwendig, sich als Kolleg:innen selbst in den Betrieben zu vernetzen. Am effektivsten sind gemeinsame Arbeitskämpfe, zum Beispiel von Einzelhandelsbeschäftigten zusammen mit der Logistik, da diese dem Kapital schnell weh tun und zu Verlusten der Unternehmen führen. Als Nutzer:innen des Einzelhandels sollten wir uns stets solidarisch mit den Kämpfen der Kolleg:innen zeigen, da jeder erfolgreiche Arbeitskampf ein Sieg für uns Arbeiter:innen ist.

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