Arbeitskampf um Tarifangleichung bei Charité-Tochter CFM geht in Schlichtung. Gregor Gysi könnte Rolle des Schlichters übernehmen.
Es klingt ermutigend: »Wir haben die Zeit seit dem 16. September genutzt und unsere Hausaufgaben erledigt.« Mit diesen Worten beginnt der Text auf einem Flugblatt von Verdi an die Gewerkschaftsmitglieder vom vergangenen Donnerstag. Inhaltlicher Schwerpunkt ist der Konflikt um die Angleichung der Beschäftigungsverhältnisse für die Kollegen der Tochtergesellschaft des Berliner Klinikums Charité, die Charité Facility Management GmbH (CFM), an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD).
Über die Inhalte der Verhandlungen mit dem »rot-rot-grünen« Senat Berlins wurde seinerzeit Vertraulichkeit verabredet. Das vierwöchige Schweigen brach nun die Verdi-Verhandlungskommission – und zwar mit einer völlig überraschenden Aussage: Der Tarifkonflikt solle mittels Schlichtung gelöst werden.
Von Verdi sei bereits eine »Persönlichkeit des öffentlichen Lebens« als neutraler Schlichter vorgeschlagen worden, heißt es in dem Flugblatt. Ein konkreter Name wurde nicht genannt. Hinter den Klinikmauern munkelten Beschäftigte, dass Gregor Gysi der große Unbekannte ist. Nach jW-Informationen hat der frühere langjährige Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion der Gewerkschaft zugesagt. Senatsvertreter, die für die Gegenseite im Arbeitskampf stehen, scheinen indes von der Personalie wenig begeistert zu sein.
Zum Hintergrund der Auseinandersetzung: Seit 14 Jahren sind die CFM-Beschäftigten aus dem Mutterunternehmen ausgegliedert, haben keinen Tarifvertrag und verdienen bis zu 800 Euro netto pro Monat weniger als das Stammpersonal der Charité, das nach dem TVöD bezahlt wird. Obwohl im Vertrag der Koalitionäre des Landes Berlin vom Dezember 2016 »eine Angleichung an den TVöD« vereinbart worden war, geht das Outsourcing weiter. Dennoch beharren die CFM-Beschäftigten seit knapp zehn Jahren auf ihrer Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit. Der Arbeitskampf der mit Niedriglöhnen Abgespeisten dürfte den Senat auch im kommenden Wahljahr weiter belasten.
Ein Schlichtungsverfahren ist vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), der auch Charité-Aufsichtsratsvorsitzender ist, bereits am 1. Oktober im Berliner Abgeordnetenhaus angedeutet worden. Auf Anfrage des Abgeordneten Tobias Schulze (Die Linke) in einer sogenannten Aktuellen Stunde teilte Müller mit, dass gegebenenfalls ein externer Schlichter eingesetzt würde. Im weiteren Verlauf beteuerte der Regierende noch einmal vor dem Parlament, dass die Einkommenssituation der CFM-Beschäftigten deutlich verbessert werden solle. Das im Koalitionsvertrag formulierte Versprechen einer Angleichung an den TVöD erwähnte Müller zur Enttäuschung der CFM-Kollegen nicht. Im Gegenteil: Eine tarifliche Einigung müsse mit der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens in Einklang gebracht werden, meinte Müller etwas kryptisch.
Ein Krankentransporteur der CFM, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagte am vergangenen Freitag gegenüber jW: »Es ist für mich und viele Beschäftigte unverständlich, dass die Koalitionspartner von Grünen und Linken das bei der Fragestunde so durchgehen ließen und nicht auf die Durchsetzung des Koalitionsvertrages gepocht haben.« Es scheine fast so, als hätte man sich mit dem Vertragsbruch längst arrangiert. »Warum der Senat zur Umsetzung seines eigenen Vertragswerkes einen Schlichter braucht, erschließt sich mir und vielen anderen Beschäftigten nicht«, so der CFM-Beschäftigte.
Im Vergleich zu üblichen Tarifverhandlungen zwischen einer von der Belegschaft gewählten Tarifkommission und der Geschäftsführung kam die jetzt per Flugblatt angekündigte Schlichtung im CFM-Fall für viele Kolleginnen und Kollegen völlig unvermittelt. Die Beteiligten des Tarifkonflikts müssen einer neutralen Person vertrauen, deren Aufgabe es ist, einen für alle akzeptablen Kompromiss zu finden. Bei Verhandlungen zwischen stimmberechtigten Gewerkschaftern und Unternehmervertretern würde der neutrale Schlichter seine Stimme einer Partei zuschlagen, so dass es zu keiner Pattsituation kommen kann. Dem Schlichter kommt also eine entscheidende Rolle zu. Es bleibt abzuwarten, welche Position Gregor Gysi im Falle des Falles einnehmen wird.
Quelle: Junge Welt