Warnstreiks in Essen und in Berlin – Verhandlungen gehen Donnerstag in dritte Runde
Rund 200 Beschäftigte der Deutschen Bank Direkt GmbH haben am Dienstag an den Standorten in Berlin und Essen für mehr Lohn demonstriert. Die Gewerkschaft Verdi hatte zum Warnstreik aufgerufen, um den Druck in den seit Juli laufenden Tarifverhandlungen für die etwa 650 Beschäftigten der Deutschen-Bank-Tochter zu erhöhen. Nach Angaben der Gewerkschaft hat die Unternehmerseite bislang eine zweistufige Gehaltserhöhung um 1,3 beziehungsweise 1,5 Prozent bei sieben Nullmonaten angeboten. Verdi fordert eine Gehaltserhöhung um sechs Prozent, mindestens aber 150 Euro. Zudem will die Gewerkschaft eine Wahloption zwischen Geld und Freizeit sowie die Einführung eines 13. Monatsgehaltes durchsetzen.
»Mit den Warnstreiks in Berlin und Essen wollen wir Druck aufbauen, damit sich der Arbeitgeber endlich bewegt«, sagte Roman Eberle, Verdi-Verhandlungsführer, am Dienstag gegenüber jW. Vor allem gibt es Streit um das 13. Monatsgehalt. Lediglich die 650 Beschäftigten der Deutschen Bank Direkt warten noch auf diese Zusatzzahlung, für die anderen Konzernangestellten ist es längst Teil der Vergütung, und auch beim Callcenter der Postbank Direkt wird seit 2019 ein 13. Monatsgehalt gezahlt. Die Postbank ist im Besitz der Deutschen Bank.
Bei der Deutschen Bank wollte man sich im Vorfeld der Gespräche nicht äußern, aber in dem Unternehmen geht man davon aus, dass es ohne das 13. Gehalt zu keiner Einigung mit der Gewerkschaft kommen wird.
Die dritte Verhandlungsrunde ist nach Verdi-Angaben für diesen Donnerstag geplant. Coronabedingt finden die Gespräche per Videokonferenz statt. Allerdings seien die Verhandlungen zäh: »Die Deutsche Bank gibt sich zugeknöpft«, heißt es bei Verdi. Der Gehaltstarifvertrag war Ende März ausgelaufen, wegen der Coronapandemie verzögerte sich der Beginn der Tarifverhandlungen jedoch bis in den Sommer. Zu den Aufgaben der Deutsche Bank Direkt zählt neben dem telefonischen Kundendienst auch der Direktvertrieb verschiedener Angebote der Deutschen Bank.
Laut Gewerkschaft Verdi arbeiten in Deutschland etwa 520.000 Beschäftigte in rund 6.900 Callcentern. Studien sagen ein weiteres Wachstum für die kommenden Jahre voraus. Das heißt jedoch nicht, dass die Wertschöpfung auch bei den Beschäftigten ankommt.
Nach einer Verdi-Umfrage unter Callcenterbeschäftigten sagen mehr als 60 Prozent der Befragten, dass ihr Einkommen nicht ausreiche. Mehr als 50 Prozent von ihnen bräuchten einen Zweitjob zum Leben, und 23 Prozent bezögen gar ergänzend Hartz-IV-Leistungen. Dies spiegelt sich in der fehlenden Regulierung der Branche. Bei den meisten dieser Dienstleister existieren keine Tarifverträge, deshalb fordert Verdi zunächst einmal Mindestlöhne und arbeitet zugleich perspektivisch an der Umsetzung von Tarifverträgen.
Laut Statistischem Bundesamt stiegen seit 2002 die Umsätze von 253 Millionen Euro auf 2,37 Milliarden Euro 2019. Die Callcenterbranche ist nicht nur ein Billiglohnumfeld, sondern auch für unerlaubte Telefonwerbung bekannt. Im Jahr 2017 wurden der Bundesnetzagentur 57.000 schriftliche Beschwerden über unerlaubte Telefonwerbung gemeldet, das waren 25 Prozent mehr als im Jahr 2010.
Quelle: Junge Welt