Die Deutsche Bahn drängelt bei der Umsetzung des sogenannten Tarifeinheitsgesetzes: Ab dem 1. April sollen in den rund 300 Betrieben des bundeseigenen Konzerns nur noch die Tarifverträge der jeweils mitgliederstärkeren Gewerkschaft zur Anwendung kommen, wie die Bahn am Donnerstag mitteilte. Das ist aus Sicht der Bahn in den meisten Tochterunternehmen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG).
In lediglich 16 Betrieben kommen demnach hingegen die Tarifvereinbarungen mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zum Tragen. Bis Ende des vergangenen Jahres spielte das Gesetz bei der Bahn keine Rolle. Ein Grundlagenvertrag zwischen dem Konzern und der GDL regelte statt dessen, dass auch die Tarifverträge der GDL Anwendung finden – unabhängig davon, welche Gewerkschaft in einem Betrieb stärker vertreten ist. Doch mit Beginn des neuen Jahres endete der Vertrag. Für eine Neuregelung hätte dieses Mal auch die EVG an Bord sein müssen, doch die schließt bislang Verhandlungen in dieser Sache aus.
Um das Gesetz anzuwenden, muss die Bahn klären, welche Gewerkschaft in welchem Betrieb mehr Mitglieder hat, darf dabei aber nicht die Beschäftigten fragen. Laut Bahn waren die Mehrheitsverhältnisse in 71 Betrieben unklar. Ein notarielles Verfahren, bei dem beide Gewerkschaften Mitgliederlisten bei Notaren hinterlegt hätten, lehnte die GDL ab.
Die Bahn habe ihre Annahme nun auf Basis der vergangenen Betriebsratswahlen und weiterer Indikatoren getroffen, teilte sie mit. Die GDL äußerte sich zunächst nicht. Ihre Tarifverträge mit der Bahn liefen Ende Februar aus. Einen Termin für Neuverhandlungen gibt es bislang nicht. Die GDL fordert unter anderem 4,8 Prozent mehr Lohn sowie eine Coronaeinmalzahlung in Höhe von 1.300 Euro. Doch vorher will die Gewerkschaft das Thema rund um das »Tarifeinheitsgesetz« geklärt wissen.
Die EVG wiederum hatte sich bereits im vergangenen Jahr mit der Bahn auf eine deutlich geringere Lohnerhöhung von 1,5 Prozent geeinigt und im Gegenzug Beschäftigungsgarantien erhalten. »Wir sehen unsere Einschätzung über die wirklichen Mitgliederverhältnisse im Bahn-Konzern bestätigt«, teilte EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel am Donnerstag mit. »Wir erwarten jetzt vom Arbeitgeber ein sauberes und transparentes Verfahren bei der bevorstehenden Umsetzung der Bestimmungen des ›Tarifeinheitsgesetzes‹.« Das Verhältnis zwischen beiden Gewerkschaften ist angespannt. Die GDL wirft der größeren EVG unter anderem einen Kuschelkurs mit der Konzernführung vor. Umgekehrt forderte die EVG zuletzt Weselskys Rücktritt.
Quelle: Perspektive Online