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Streiken im Homeoffice – Wie geht das?

Wer daheim vor dem PC sitzt, holt für den Arbeitskampf eher nicht die Trillerpfeife ‚raus. Was stattdessen geht – und was nicht – das mussten die Gewerkschaften in der Pandemie im Schnellverfahren lernen. Zum Glück, wie ein IG Metall-Mitglied sagt.

Nie hätte Karsten Bronnert für möglich gehalten, welche Wirkung eine einfache Abwesenheitsnotiz entfalten kann: „Wir kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Deshalb befinde ich mich von 13 bis 14 Uhr im digitalen Warnstreik.“ Das bekam zu lesen, wer am Tag des Solidaritätsstreiks der IG Metall im März etwas von der Software-Firma Atos wollte.

Solche Meldungen an die Kundschaft hinterlassen in der Führungsetage oft ein mulmiges Gefühl, vermutet Bronnert. „Und wir haben gemerkt: Wenn es brennt, dann können wir unsere Leute auch mobilisieren“, bilanziert Bronnert das pandemische Streikjahr. Er vertritt bei Atos die IG Metall. Denn die Sorge war schon groß, dass ein Arbeitskampf mit Abstand sich zu einem Arbeitskampf ohne Teilnehmende entwickelt.

Gewerkschaften verlieren Mitglieder in Corona-Pandemie

Noch dazu in einem Jahr, in dem viele Unternehmen die Corona-Krise als Grund angeführt haben, um keine Zusagen bei Lohnerhöhungen oder der Arbeitsplatzsicherheit zu machen. Viele Beschäftigte waren vermutlich etwas eingeschüchtert und tatsächlich haben die Gewerkschaften 85.000 Mitglieder verloren.

Um trotzdem einen ernstzunehmenden Arbeitskampf auf die Beine zu stellen, war es wichtig, die Beschäftigten dort abzuholen, wo sie waren. Und das war nun mal in vielen Fällen das Homeoffice, erzählt Bronnert. Diese erste Kontaktaufnahme lief dann geradezu altmodisch über E-Mails: „Anlass war der Streikaufruf der IG Metall München. Wir hatten wegen Corona schon auf jede Gehaltsforderung verzichtet. Da mussten wir erstmal die Brisanz verdeutlichen: Das muss jetzt nicht für immer so bleiben.“

Live-Übertragung brachte mehr Menschen in den Streik

Der Dialog ging dann bald über E-Mails hinaus: Die Metaller nutzten interaktive Video-Tools, um sich zu Aussprachen zu verabreden. An Whiteboards hinterließen die Mitglieder Forderungen und Wünsche, in Chats stellten sie Fragen und in den sozialen Netzwerken verbreiteten sie ihren Aufruf.

Sibylle Wankel, die Vorsitzende der IG Metall München, erzählt, man sei am Anfang der Pandemie durchaus von der Arbeitgeberseite belächelt worden. Die alten Gewerkschaften schaffen den Sprung nicht in die digitale Welt, so der Tenor. Das Unken verstummte dann am 1. März 2021.

Hunderte Autos fuhren an diesem Tag durch ganz München zur Theresienwiese, laut und öffentlichkeitswirksam. Auch in anderen Städten gab es Aktionen. Bei Atos und in anderen Unternehmen wollte oder konnte man nicht live dabei sein, um sich an die Abstandsregeln zu halten, aber man wollte auch wissen, was so los ist auf der Theresienwiese.

Und deshalb gab es eine Live-Übertragung: „Es war ein großer Aufwand, das herzustellen, aber es war leicht, teilzunehmen“ erzählt Bronnert. „Ich habe tatsächlich vor meinem Rechner gesessen und es genossen, digital teilnehmen zu können.“ Karsten Bronnert, Gewerkschaftsmitglied

Verdi: Höhere Motivation für Streiks

Durch diese hybride Streikform erklärt sich auch, wieso 2020 zwar insgesamt weniger Arbeitstage für Streikaktionen draufgegangen sind – es aber mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer gab als im Vorjahr. Insgesamt, so heißt es auch von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, war es nämlich leichter, die Kolleginnen und Kollegen zum Streik zu motivieren. Sicherlich auch, weil es im Homeoffice-Alltag eine willkommene Abwechslung war, den Gemeinschaftsmoment des Arbeitskampfs zu spüren.

Was allerdings auf weiten Strecken fehlte, war die Öffentlichkeit. Medien und Presse konnten schlecht über ausgeschaltete Computer oder private Streik-Konferenzen berichten. Um auch für Unbeteiligte noch sichtbarer zu werden, und vielleicht auch wieder neue Mitglieder zu finden, wollen die Gewerkschaften bei künftigen Aktionen noch mehr nach außen kommunizieren.

Quelle: Bayerischer Rundfunk

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