Die nächsten turnusmäßigen Betriebsratswahlen finden in allen Betrieben mit Betriebsrat in Deutschland vom 1. März bis 31. Mai 2022 statt. Betriebsratsgründungen können grundsätzlich jederzeit erfolgen, die Mitglieder bereits existierender Betriebsräte werden jedoch alle vier Jahre bundesweit in diesem Zeitraum gewählt. In zehntausenden Betrieben wählen die Beschäftigten in diesem Zeitraum ihre Vertreterinnen und Vertreter in den Betriebsrat.
Eigentlich können in allen Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten Betriebsräte gegründet werden. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) gibt es jedoch in nur neun Prozent der wahlberechtigten Betriebe einen Betriebsrat. Oftmals wird die Gründung von Betriebsräten durch die Unternehmen massiv be- oder sogar verhindert. Wir wollen die anstehenden Betriebsratswahlen nutzen, um unsere grundsätzliche Herangehensweise an Betriebsräte klar zu stellen.
Was bringen Betriebsräte?
Rund um das Thema Betriebsräte gibt es in Deutschland eine Menge Mythen und Halbwissen. Pauschale Urteile im Sinne von „Betriebsräte sind unnötig“ oder „Ohne Betriebsrat keine Rechte für Arbeiter:innen“ bringen uns bei der Beantwortung der Frage was bringen Betriebsräte nicht weiter.
Betriebsräte sind der historische Kompromiss den die Kapitalist:innen nach der gescheiterten Novemberrevolution 1918 und den sich daran anschließenden revolutionären Kämpfen schließen mussten und entstanden aus den revolutionären Arbeiter- und Soldatenräten. Mit der Institutionalisierung der Betriebsräte und der Einführung der Betriebsverfassungsgesetzes 1952 wurden die Betriebsräte jedoch ihres revolutionären und klassenkämpferischen Charakters beraubt.
Heute können die Betriebsräte allein schon vom Gesetz her keine Kampforgane unserer Klasse mehr sein. Sie sind gesetzlich zum „Betriebsfrieden“ und der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit den Kapitalist:innen verpflichtet und dürfen zu keinerlei Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen. Sie sind der Versuch alle Arbeitskonflikte im Betrieb zu befrieden und die unversöhnlichen Interessen von Arbeiter:innen und Kapitalist:innen im Sinne eines Interessenausgleichs unter einen Hut zu kriegen.
Gleichzeitig können Betriebsräte, wenn sie mit kämpferischen Kolleg:innen besetzt sind, ihre gesetzlich verbrieften Recht nutzen, um wenigstens für die Einhaltung und die Durchsetzung der geltenden Gesetze zu kämpfen. So kann der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte dazu nutzen, die Willkür der Kapitalist:innen bei Einstellungen, Entlassungen, Arbeitszeiten, Arbeitsschutz, Urlaubsvergabe, tariflicher Eingruppierung und willkürlicher Ungleichbehandlung zumindest einzuschränken und Betriebsvereinbarungen über diese Gebiete abschließen. Der Betriebsrat kann zudem mit seinen Informationsrechten eine gewisse Transparenz über Auftragslage, Geldflüsse, geplante Umstrukturierungen etc. schaffen und die Belegschaft über diese Themen informieren und regelmäßige Betriebsversammlungen abhalten.
All diese Rechte und Möglichkeiten des Betriebsrats sind jedoch stark beschränkt und müssen immer wieder erst vor Gericht und in zähen Auseinandersetzungen eingefordert und erkämpft werden. Von einer tatsächlichen Möglichkeit über wesentliche Aspekte im Betrieb mitzubestimmen ist der Betriebsrat jedoch Meilenweit entfernt. Das gilt insbesondere für alle wirtschaftlichen Entscheidungen. Wie oben bereits erwähnt, darf der Betriebsrat rechtlich gesehen zudem nicht einmal die Arbeiter:innen zum Kampf für ihre Rechte auffordern, diesen Kampf organisieren oder auch nur unterstützen.
Nein zu gelben und braunen Betriebsräten!
Wenn der Nutzen von Betriebsräten generell gesetzlich begrenzt ist, wird er in vielen, gerade großen Industriebetrieben vollkommen ad absurdum geführt, wenn die Betriebsratsmitglieder und ihre Vorsitzenden als Co-Management fungieren und im Aufsichtsrat sitzen. Dies führt zu offensichtlicher Korrumpierung der gewählten „Vertreter:innen“ der Beschäftigten. Gigantische Gehälter, Bonuszahlungen und Korruption sind die Folge. Dies konnte in den letzten Monaten ganz offen bei den Auseinandersetzungen und Strafverfahren um die Betriebsratsvorsitzenden bei VW und SAP beobachtet werden.
Solche gelben Betriebsräte, die einzig im Interesse der Konzerne arbeiten, anstatt sich für die Interessen der Arbeiter:innen einzusetzen, schaden mehr als das die nützen. Sie tragen Verwirrung in die Belegschaften und versuchen diese in Inaktivität zu halten und das Stellvertretertum zu fördern.
Wir brauchen weder solche, noch braune Betriebsräte ala „Zentrum Automobil“. Spätestens seit 2018 versuchen faschistische Kräfte wieder verstärkt mit eigenen Betriebsratslisten gewählt zu werden. Insbesondere in den großen Automobilwerken in Süddeutschland und in Leipzig sind die rechten Betriebsratslisten in den vergangenen Jahren aufgetaucht. Wir sagen: Keinen Fußbreit den Faschisten! Weder im Betrieb, noch auf der Straße!
Für eine kämpferische Arbeiter:innenbewegung
Was wir brauchen, ist eine kämpferische Arbeiter:innenbewegung, die unsere Interessen gegen die der Kapitalist:innen durchsetzen kann. Eine Bewegung die durch ihre erfolgreichen Kämpfe die Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen zurück schlägt, die die vereinzelten Arbeiter:innen als Klasse zusammenführt und eine Perspektive jenseits der kapitalistischen Ausbeutung schafft.
Betriebsräte können dabei eine positive Rolle nur spielen, wenn sie in kämpferische Betriebsgruppen in den Betrieben integriert und mit ihren Kolleg:innen eng verbunden sind. Als gewählte Vertreter:innen der Belegschaften ist es ihre Pflicht sich von diesen kontrollieren zu lassen und ihnen regelmäßig Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen.
Wirklich etwas verändern werden aber nicht die Betriebsräte, sondern die sich für ihre Interessen organisierenden und kollektiv kämpfenden Arbeiter:innen. Zunächst in den Betrieben und dann darüber hinaus als Klasse.