Dachser: Union Busting beim Logistikkonzern

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Das Kemptener Familienunternehmen Dachser SE hat sich seit seiner Gründung 1930 zu einem Logistikmonopol in Deutschland entwickelt. Heute steht es unter der Leitung von Bernhard Simon, dem Enkelsohn des einstigen Gründers Thomas Dachser. Doch nicht nur die patriarchale Führung des Unternehmens, sondern ebenso sein Vorgehen gegen Gewerkschafter und Betriebsräte scheint hier Tradition zu sein. Bereits im Jahr 2012 versuchte Dachser eine Betriebsratsgründung in Offenbach zu verhindern.

Zur Zeit geht die Geschäftsführung an mindestens zwei Standorten massiv gegen Gewerkschafter und engagierte Betriebsratsmitglieder vor, dabei scheint ihnen jedes Mittel recht zu sein.

Versuchte Kündigung von Betriebsratsmitgliedern in Memmingen

Engagierte Betriebsratsmitglieder scheinen der Dachser Geschäftsführung ein besonderer Dorn im Auge zu sein. So müssen dann die absurdesten Gründe für den Versuch einer fristlosen Kündigung herhalten. So geschehen im Herbst 2019 am Dachser Standort in Memmingen.

Abgesehen hat es die Dachser Geschäftsführung auf die beiden Betriebsratsmitglieder Tiberiu R. und Thomas F. (Vorsitzender des örtlichen Betriebsrats). Dachser wirft ihnen vor, dass sie die Geschäftsleitung nicht über Gerüchte aus der Belegschaft über die Urheber verschiedener Diebstähle informiert hätten und dadurch dem Unternehmen Schaden entstanden sei.

Dabei stellt sich natürlich die Frage, wodurch die Betriebsratsmitglieder dazu verpflichtet sein sollten Gerüchte aus der Belegschaft an die Geschäftsführung weiter zu leiten und ob sie sich dadurch im Zweifelsfall nicht sogar wegen falscher Verdächtigung strafbar gemacht hätten? Betriebsratsmitglieder sind keine Hilfspolizisten! Trotz allem wiesen die beiden Kollegen die Geschäftsführung mehrfach auf nicht von der Videoüberwachung abgedeckte Bereiche hin, welche die Diebstähle ermöglichten.

Für den zuständigen Verdi Gewerkschaftssekretär Robin Faber ist zudem ohnehin klar, dass es hier gar nicht um diesen Fall geht, sondern er nur als vorgeschobener Grund herhalten muss: „Offenkundig soll ein Exempel an den beiden Betriebsräten statuiert werden.“ Ein ähnliches Vorgehen konnte man in den vergangenen Jahren auch an anderen Dachser Standorten in Bayern feststellen.

Worum es wirklich geht

Die beiden engagierten Betriebsratsmitglieder scheinen Dachser vor allem zur Last zu fallen, weil sie sich anders als weitere Mitglieder des Betriebsratsgremiums immer für die Interessen der Kollegen einsetzen. So setzen sie sich etwa für die tatsächliche tarifliche Bezahlung der Kollegen ein und tun alles dafür, dass der geltende Tarifvertrag nicht durch Schlupflöcher oder nachteilig abweichende Betriebsvereinbarungen unterlaufen wird.

Arbeitsgerichte weisen Kündigungversuche zurück und mahnen Dachser

Vor Gericht scheiterte Dachser unterdessen auf ganzer Linie. In den Verfahren gegen die beiden Betriebsratsmitglieder vor dem Arbeitsgericht Kempten am 06.11.2019 unter Leitung von Richter Schauer und am 18.02.2020 unter der Leitung von Richter Waldenfels (Aktenzeichen 3 BV 10/19 und 5 BV 9/19) wiesen die Richter daraufhin, dass die beabsichtigten fristlosen Kündigungen absolut nicht gerechtfertigt seien und lehnten diese ab. Richter Waldenfels mahnte das Vorgehen der Geschäftsführung als Methode mit der man Menschen zerstöre ab.

Eine Beschwerde gegen die Beschlüsse beim Landesarbeitsgericht München zog Dachser selber wieder zurück, da diese keine Aussicht auf Erfolg hatte. Damit ist zumindest dieser Union Busting-Versuch vorerst gescheitert.

In diesen und anderen Fällen lässt sich Dachser bundesweit von der Kölner Anwaltskanzlei michels.pmks vertreten und beraten. In beiden Gerichtsverfahren trat für die Kanzlei der Anwalt Ulrich Kortmann auf. Kortmann und seine Kanzlei scheinen besonders auf Union Busting spezialisiert zu sein. So nennt er auf der Kanzlei-Homepage etwa die Restrukturierung von Unternehmen und den Umgang mit Kündigungsschutz zu seinen Arbeitsschwerpunkten.

Die Betriebsratsmitglieder wurden durch den Rechtsanwalt Gerd Konrad von der Kanzlei Grönda, Konrad & Langer vertreten.

Gewerkschaft stellt Strafanzeige gegen Dachser in Bremen

In der Bremer Dachser Niederlassung geht das Union Busting soweit, dass selbst die Gewerkschaft Verdi nun Strafanzeige wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit gestellt hat. Ein Mittel was in Deutschland von den Gewerkschaften kaum angewendet wird, dabei ist die Behinderung der Betriebsratsarbeit nach § 119 BetrVG strafbar und kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden.

Die Niederlassungsleitung habe laut Verdi hier auf verschiedenen Wegen versucht den örtlichen Betriebsrat aufzulösen. So hab der Lagerleiter den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Thomas U. aufgrund seiner engagierten Betriebsratsarbeit vom Lagerleiter zum Azubi-Beauftragten herabgestuft. Dachser begründete diesen Schritt mit einer „Neustrukturierung“ des Lagerbetriebs im September 2018. Thomas U. lehnt diese Herabstufung bis heute ab und ist weiterhin in einer Auseinandersetzung um seinen Arbeitsplatz. Schikanöse Versetzungen gehören zum Standardprogramm der Behinderung von Betriebsratsarbeit.

Gelben Betriebsrat erkauft?

Gleichzeitig soll Dachser versucht haben weitere Mitglieder des Betriebsrats durch individuelle Lohnerhöhungen aus dem Betriebsrat heraus zu kaufen. Für mindestens einen Fall gibt die Gewerkschaft Verdi an, dies auch schriftlich belegen zu können. Scheinbar war diese Methode des Union Busting hier erfolgreich, denn Dachser schaffte es Neuwahlen des Betriebsrats zu erzwingen. „Nachdem fünf BR-Mitglieder zurückgetreten waren, musste der Betriebsrat wegen Unvollständigkeit vorläufig aufgelöst werden“, so Verdi in einer Pressemitteilung.

Der neu gewählte Betriebsrat scheint den Kurs der Gewerkschaft unterdessen nicht mit zu gehen. Der aktuelle Betriebsratsvorsitzende Axel H. äußerte sich zur Strafanzeige eher distanziert und dass diese allein Sache der Gewerkschaft sei. Inwieweit die zuständigen Staatsanwaltschaft die Strafanzeige der Gewerkschaft weiter verfolgen wird, bleibt indes abzuwarten.

Reform des Betriebsverfassungsgesetzes nötig

Die Initiative aktion ./. arbeitsunrecht fordert daher schon seit Jahren die Einrichtung von sogenannten Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrechte. Denn viele Staatsanwält*innen und Richter*innen erkennen Union Busting selbst in den offensichtlichen Fällen oft nicht. Darüber hinaus bedarf eines einer ganzen Reihe weiterer Maßnahmen zum besseren Schutz von Betriebsräten. Die aktion ./. arbeitsunrecht hat deshalb bereits 2017 eine Reihe von Reformvorschlägen erarbeitet: Betriebsräte stärken – Mitglieder und Neugründer schützen, Unternehmerkriminalität bekämpfen.

Die beiden dargestellten aktuellen Fälle von Union Busting und Betriebsratsbehinderung bei der Dachser SE sind sicher nur die Spitze des Eisberges. Wir rufen Kolleginnen und Kollegen von Dachser dazu auf, sich bei uns zu melden und uns auch von ihren Fällen zu berichten, damit diese an die Öffentlichkeit kommen.

Die Dachser SE ist ein patriarchal geführtes Familienimperium. 1930 von Thomas Dachser gegründet, leitet sie heute in dritter Generation Bernhard Simon, der Enkelsohn des Dachser Gründers.

Das weltweit tätige Logistik-Unternehmen betreibt in Deutschland 71 Standorte. Weltweit sind es 393. Rund 16.000 der 31.000 Mitarbeiter beschäftigt Dachser in Deutschland. Mehr als 4 Milliarden Euro Umsatz machte die Dachser SE 2019 alleine in Deutschland.

Logistikbranche: Lohndumping und extremer Zeitdruck

Auf arbeitsunrecht tv führten wir am 01. Mai 2020 ein Interview mit dem LKW-Fahrere Jan, der sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Logistik einsetzt: Interview mit einem LKW-Fahrer über Arbeit, Ausbeutung + Solidarität

Quelle: Aktion gegen Arbeitsunrecht