Massives Union-Busting bei Aldi Nord

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Aldi Nord setzte mit Hilfe der Union Busting-Kanzlei Schmidt Von der Osten & Huber für 34.000 Aldi-Beschäftigte neue Arbeitsverträge durch. Der öffentliche Aufschrei gegen Arbeitszeiten zwischen 4.00 und 23.00 Uhr, 50-Stunden-Wochen, sogar drohende Tarifflucht, blieb aus. Erst durch die Gegenwehr der Betriebsräte zweier Regionalgesellschaften wird das Vorgehen der Geschäftsleitung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Als Vergeltung geht das Management vor allem gegen den Betriebsratsvorsitzenden Uli K. aus Bad Laasphe vor.

Seit Jahren gibt es bei Aldi Nord eine starke Auseinandersetzung um die Einführung neuer Arbeitsverträge zu lasten von zehntausenden ArbeiterInnen des Einzelhandel-Riesen.  Theo Albrecht junior führt den Einzelhandelskonzern heute als Firmenpatriarch in zweiter Generation, ihm zur Seite stehen Oliver Elsner und Torsten Hufnagel in Form eines Verwaltungsrats.

Während es die Milliardärs-Familie Albrecht es mit massiven Union Busting-Methoden (Was ist das?) geschafft hat, Aldi Süd bis heute quasi komplett Betriebsrats-frei zu halten, müssen Betriebsratsmitglieder bei Aldi Nord immer wieder mit massiven Kampagnen gegen sie zurechtkommen.

Nur zwei standhafte Betriebsräte verweigern sich

Seit 2014 hat Aldi Nord nach und nach neue Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen für die rund 36.000 Beschäftigten durchgesetzt. Mittlerweile konnte der Konzern in 30 von 32 Regionalgesellschaften in denen rund 34.000 Mitarbeiter arbeiten die neuen Verträge durchsetzen.

Lediglich in den Regionen Bad Laasphe (Nordrhein-Westfalen) und Horst (Schleswig-Holstein) gibt es weiter Widerstand gegen die neuen Arbeitsverträge. Auch die Gewerkschaft Verdi hat sich in dieser Auseinandersetzung nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Eine entschlossene und koordinierte Kampagne gegen die neuen Arbeitsverträge für die 36.000 Beschäftigten fand offensichtlich nicht statt.

Massive Flexibilität und 50-Stunden-Wochen

Durch die neuen Arbeitsverträge verpflichten sich die Mitarbeiter unter anderem dazu ein neues Arbeitszeitmodell zu akzeptieren. Dieses sieht vor, dass die Mitarbeiter künftig in der Zeit zwischen 4 Uhr für und 23 Uhr abends eingesetzt werden können. Zudem sollen sich die Mitarbeiter verpflichten bis zur gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden pro Woche Mehrarbeit und Überstunden zu leisten.

Damit ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Thema Überstunden faktisch vollkommen ausgehebelt. Zudem behält sich Aldi Nord durch die neuen Arbeitsverträge vor freiwillige Zulagen wieder einzukassieren und zukünftig aus dem geltenden Tarifvertrag auszusteigen. Gleichzeitig sollen neue Betriebsvereinbarungen Sonn- und Feiertagsarbeit für den Fuhrpark und die Kommission im Aldi Zentrallager ermöglichen (Verdi Pressemitteilung, 20.09.2019).

Diffamierungskampagne gegen Betriebsratsvorsitzenden als Folge

Als Folge des Widerstands gegen die neuen Arbeitsverträge gibt es seit Monaten eine massive Diffamierungskampagne gegen den Betriebsratsvorsitzenden der Aldi-Region Bad Laasphe Uli K.

„Wir erleben seit Wochen, wie Aldi mit rabiaten Methoden versucht, unsere Arbeit zu behindern. Beschäftigte werden gegeneinander ausgespielt und aufgestachelt, vorgefertigte Briefe gegen uns zu unterzeichnen. Mit aggressiver Präsenz auf Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen sollen wir zudem durch eine selbsternannte Gruppe von ‚Aldianern‘ eingeschüchtert werden“, beschreibt Uli K. die Kampagne gegen sich und die weiteren Betriebsratsmitglieder.

Die Schmutzkampagne richtet sich dabei insbesondere gegen seine Person. So trat eine Gruppe der geschäftsführungshöriger „Aldianer“ auf der Betriebsversammlung am 17. September 2019 unter anderem mit Ausschnitten aus einem Verdi-Video aus dem Jahr 2016 gegen Uli K. auf. Seine dortigen Aussagen über die aggressive Unternehmensstrategie von Aldi („Mit ein bisschen Angst verbreiten erreicht man alles“) legten die „Aldianer“ ihm hier nun als seine eigene Meinung in den Mund.

Union Busting per Unterschriftensammlung

Als weitere Maßnahme gegen den Betriebsrat und Uli K. tauchte im September ein anonymer Brief „Von Aldianern Aldi Bad Laasphe“ auf. In dem diffamierenden Brief verbreiten die Aldianer unter anderem, der Betriebsratsvorsitzende wolle „mit aller Gewalt und aus persönlichem Interessen dem Unternehmen und der Gesellschaft Schaden zufügen“. Die „Aldianer“ sammeln mit dem verleumderischen Brief zudem Unterschriften gegen den Betriebsrat und seinen Vorsitzenden.

Anonyme Aushänge und Schreiben, die Betriebsratsmitglieder von der Belegschaft isolieren sollen, gehören zum Stand-Repertoire des Union Busting. Die Unternehmen konstruieren auf Basis unsubstantiierter Vorwürfe Klagewellen gegen Betriebsratsmitglieder. Gleichzeitig werden besonders eifrige Führungskräfte und solche, die aufsteigen wollen, in Stellung gebracht, um innerhalb der Belegschaft offenes Mobbing und Diffamierungskampagnen gegen Betriebsratsmitglieder zu betreiben.

Um Betriebsratsmitglieder auch menschlich zu treffen, werden in solchen Fällen gerne auch Unterschriften unter ängstlichen Kolleg*innen eingesammelt. Die Methode findet selbst bei sogenannten sozialen Einrichtungen wie dem Jugendhilfeträger Terra Nova Anwendung (siehe Terra Nova: Sozialer Verein verhindert Betriebsratswahl)

Kein Rechtsschutz durch das Arbeitsgericht

Gegen die Einschränkung seiner Arbeit und die Diffamierungen versuchte der Betriebsrat mit einer einstweiligen Verfügung vorzugehen. Dies scheiterte jedoch am Vorsitzenden Richter des Siegener Arbeitsgerichts Sebastian Schulze.

Schulze lehnte eine einstweilige Verfügung mit der Begründung ab, dass er keine massive Einschränkung der Betriebsratsarbeit feststellen könne, die nicht auch in einigen Monaten in einem Hauptverfahren behandelt werden könnten. Damit folgte der Richter vollkommen der Argumentation des Aldi-Anwalts Christian Mehrens aus der Kanzlei Schmidt  von der Osten & Huber, der sich inhaltlich gar nicht zu den Vorwürfen äußern wollte, sondern lediglich jegliche Beteiligung der Geschäftsleitung abstritt. Ebenso lehnte er und die anwesende Aldi-Vertreterin Annette Hartmann eine deutliche Distanzierung von den „Aldianern“ ab (WP, 23.10.2019).

Wiederholungstäter: Schmidt von der Osten & Huber

Schmidt von der Osten & Huber ist im Markt seit Jahren als Stammkanzlei von Aldi Nord und Aldi Süd bekannt (Juve).

Die Kanzlei Schmidt von der Osten & Huber waren auch als Union Buster an dem Versuch beteiligt, eine Beschäftigte des Cura Altenheims in Gladbeck per konstruiertem Diebstahlvorwurf zu kündigen (siehe Cura Seniorenheim: Kündigung von Betriebsratsmitglied gescheitert). Schmidt von der Osten & Huber waren auch dabei als die Spiele-Entwickler von Good Games kurzerhand 28 Beschäftigte entließen, die einen Betriebsrats hatten gründen wollen (siehe: Goodgames: Evil Empire der Wawrzineks).

Den Aldi-Betriebsrat vertrat Rechtsanwalt Reimar Mewes vor Gericht. Er machte die Geschäftsleitung selbst für die Attacken auf den Betriebsrat zumindest mitverantwortlich. Laut Mewes hätte der Brief und die Unterschriftensammlung ohne Wissen der Geschäftsführung so nicht möglich gewesen (WDR, 23.20.2019).

Seit Jahren massives Union Busting bei Aldi

Union Busting bei Aldi hat jahrelange Tradition. Eine besondere Rolle spielt dabei die arbeitgeberfreundliche Betriebsratsliste „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte“ (AUB). Die Aldi-Geschäftsführung setzt die AUB gezielt dafür ein engagierte Betriebratsgremien zu verhindern und den Betriebsrat zu einem verlängerten Arm der Unternehmensleitung zu machen.

Im Jahr 2008 konnte sogar eine direkte Finanzierung der Gruppe von mindestens 120.000 € pro Jahr durch Aldi aufgedeckt werden. Der Essener Rechtsanwalt Emil Huber (Namensgeber der Kanzlei Schmidt – von der Osten – Huber), der seit 2013 ein eigenes Büro in der Chefetage der Aldi Nord-Zentrale hat, soll die Finanzierung eingefädelt haben. Das Handelsblatt bezeichnet ihn als den „großen Strippenzieher bei Aldi Nord“ (Handelsblatt, 22.04.2019). Huber selbst hat für Aldi Nord Strategiepapiere gegen Betriebsräte entworfen und kann daher als Federführender Union Buster in der Einzelhandelsdynastie bezeichnet werden (Verdi, Ein Blick hinter die Kulissen bei Aldi).

Quelle: Aktion gegen Arbeitsunrecht