Am 24. Januar beginnt die nächste Tarifrunde im Öffentlichen Dienst. Der Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVÖD) gilt für die rund 2,6 Millionen beschäftigten bei Bund und Kommunen, und wird auf knapp eine Millionen Beamte und Versorgungsempfänger übertragen. Darüber hinaus orientieren sich viele Sozial-, Pflege- und Erziehungseinrichtungen am TVÖD und auch in den Verhandlungen um den Tarifvertrag der Länder wird sich erfahrungsgemäß daran ausgerichtet. Somit ist die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen nach der Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie die bedeutendste Tarifrunde in Deutschland.
Öffentlicher Dienst vor dem Kollaps
Wir alle wissen, dass die Arbeit in der Kita oder im Krankenhaus schlecht bezahlt ist und eine hohe Belastung mit sich bringt. Seit Jahren kämpfen mehrheitlich Frauen in dieser Branche für mehr Anerkennung, höhere Bezahlung und höhere Arbeitsbedingungen. Doch nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Einrichtungen & Träger organisieren Proteste, wie die Aktionstage zu „Krankenhäuser in Not“ oder die Proteste der Kita-Einrichtungen, welche in Berlin und NRW stattgefunden haben. Die Ampelregierung hat in den letzten Jahren die Haushaltsausgaben für Gesundheit und Soziales massiv gekürzt, während die Militärhaushalt mit Hundertmilliarden überschüttet wurde. Das stellt die Einrichtungen vor massive Probleme. Ende Dezember 2024 hat sich nun auch der Städte- und Gemeindebund zu Wort gemeldet und warnt vor einem Kollaps des gesamten Öffentlichen Dienst. Es sind 100.000 Stellen unbesetzt und 0,5 Millionen Beschäftigte gehen in den nächsten zehn Jahren in Rente. Der Öffentliche Dienst muss für Beschäftigte wieder attraktiver gemacht werden um die öffentliche Versorgung sicher zu stellen!
Die Verwaltungschefs stellen sich quer
Anders sieht das der Chemnitzer Oberbürgermeister, Sven Schulze (SPD). Er hält die angestrebten Lohnerhöhungen der Gewerkschaft Verdi für unangemessen, denn für gut bezahlte Arbeitsplätze müssten diese erstmal existieren. Damit behauptet er, man könne gar keine neuen Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst schaffen. Er macht die hohen Personalkosten für die Finanzlücken im Öffentlichen Dienst verantwortlich. Damit verdreht er die Realität; denn nicht die fehlenden Arbeitsplätze sorgen für hohe Löhne, sondern es braucht bessere Löhne um mehr Personal einstellen zu können und dadurch Entlastung herzustellen und die Versorgung sicherzustellen. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) kritisiert ebenfalls die Forderungen und beschwert sich über die Forderung nach drei zusätzlichen Urlaubstage. Zusätzlich sagt der VKA, dass die Gehaltserhöhungen nur für Führungskräfte sinnvoll seien, damit diese nicht von der freien Wirtschaft abgeworben werden. Auch hier werden die Augen vor der Realität verschlossen, dass die Beschäftigten bereits jetzt überlastet sind, Burnouts erleiden, in Frührente gehen müssen oder vorzeitig den Beruf verlassen.
Forderungen deuten Reallohnverlust an
Die letzte Verhandlungsrunde im TVÖD brachte mit durchschnittlich 11% Lohnsteigerungen. Auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis. Allerdings muss dieser Abschluss im Kontext der explosionsartig gestiegenen Inflation betrachtet werden. Seit 2020 sind die Verbraucherpreise in Deutschland um ca. 18% gestiegen. Im Oktober 2020 gab es den vorletzten Abschluss im TVÖD mit gerade mal 3,2% Lohnerhöhung. Das heißt in den letzten vier Jahren stehen 14,2% Lohnerhöhungen einer Inflation von 18% gegenüber. Für 2025 und 2026 wird weiterhin eine Inflation von jeweils 2% prognostiziert. Um einen weiteren Reallohnverlust bei einer zweijährigen Laufzeit zu verhindern, müsste der Abschluss mindestens 8% betragen. Doch das entspricht gerade einmal der Forderung mit der Verdi in die Verhandlungen geht. Bekanntlich werden diese dann ja im Laufe der Verhandlungen abgeschwächt, um am Ende einen faulen Kompromiss herauszuhandeln. Die Forderung nach drei zusätzlichen Urlaubstagen ist positiv zu bewerten, doch auch hier bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung aussehen wird.. Für Verdi-Mitglieder soll ein zusätzlicher Urlaubstag herausgehandelt werden. Das hat einen faden Beigeschmack. Die seit Jahren sinkenden Mitgliederzahlen sollen durch die Lockung mit Privilegien angehoben werden – auf Kosten des Unmuts der Arbeiter:innen, die von den letzten Abschlüssen und der geringen Streikbereitschaft der Gewerkschaft enttäuscht sind.
Selbst wenn alle Forderungen durchgesetzt werden, dann wäre das gerade einmal ein Erhalt des vorherigen Lebensstandards. Die prekäre Situation im Öffentlichen Dienst, der Personalmangel und die damit verbundene Arbeitsbelastung werden dadurch keineswegs beseitigt, sondern werden sich nur weiter verschärfen.
Organisieren und kämpfen, statt faule Kompromisse!
Auch wenn die Positionen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaft sehr weit auseinanderliegen: Es sind immer noch die von der SPD geführten Gewerkschaften, die mit einem SPD geführten Bundesverwaltungsapparat verhandeln. Mit echtem Arbeitskampf ist also von vornherein nicht zu rechnen. Es wird vielleicht zu Warnstreiks kommen, diese sind jedoch von Chefseite einkalkuliert und dienen Verdi als Inszenierung und Gelegenheit neue Mitglieder zu gewinnen.
Um die Probleme im Öffentlichen Dienst anzugehen können wir uns also weder auf den Staat noch die Systemgewerkschaften verlassen. Wir müssen uns unabhängig davon, ob wir Gewerkschaftsmitglied sind oder nicht, dauerhaft organisieren und einen kontinuierlichen Kampf für unsere Interessen entwickeln. Dafür ist diese Tarifrunde ein guter Anlass. Wir beteiligen uns an den Streikaktionen, müssen aber auf den Aktionen deutlich machen, dass sie nur dann erfolgreich sein können, wenn keine faulen Kompromisse eingegangen werden und ein konsequenter Arbeitskampf geführt wird. Wir müssen die Grundlage schaffen, mit unseren Kolleg:innen dauerhaft aktiv zu sein, sowohl im Betrieb, als auch branchenübergreifend. Wir müssen diese Auseinandersetzung nutzen um in Zukunft selbstbestimmt unsere Interessen durchzusetzen!