In die Offensive gegen die Massenentlassungen!

Die aktuelle Welle von Stellenstreichungen und Kürzungspolitik in deutschen Großkonzernen wie Bosch, Ford und ThyssenKrupp zeigt die strukturellen Schwächen des deutschen Imperialismus. Während Rekordgewinne erzielt und Dividenden ausgeschüttet werden, tragen wir Arbeiter:innen die Hauptlast der Krise – durch Lohnverluste, Inflation und Arbeitsplatzabbau. Es reicht nicht, spontane Wut zu zeigen; wir müssen diese in einen organisierten, konsequenten Widerstand verwandeln. Unabhängige, gewerkschaftsfreie Betriebsstrukturen sind der Schlüssel, um unsere politischen und ökonomischen Interessen wirksam zu verteidigen.

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  • Bosch will über 5000 Stellen streichen1
  • Ford will jede vierte Stelle streichen2
  • ThyssenKrupp will bis zu 11.000 Stellen streichen3
  • Amazon streicht 9000 weitere Jobs4
  • DB: 30.000 Stellen werden in 5 Jahren gestrichen5

Deutschlands Wirtschaft entwickelt sich seit 2018 krisenhaft. Mit der Prognose von 0,7% Wirtschaftswachstum in 2025 stellt Deutschland das Schlusslicht der Industrienationen dar. Unter den G20 gehört Deutschland zu den Schlusslichtern mit einer Prognose von 1,1%. Die Deutsche Bundesbank sieht Deutschlands Wirtschaftswachstum 2025 bei nur 0,2%6.

Vor einigen Jahren wurde diese Entwicklung allein auf äußere Faktoren, wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg, geschoben. Mittlerweile gehen Ökonomen mehr auf die strukturellen Probleme des deutschen Imperialismus ein. In dieser Erklärung möchten wir aufzeigen, warum das kapitalistische System in Deutschland zu Kürzungen und Entlassungen führt, was das Ganze mit der Weltwirtschaft zu tun hat und was das für uns Arbeiter:innen bedeutet.

Krieg, Krise und das Ringen um Märkte

Auch wenn die Pandemie und der Krieg dazu führten, dass kurzfristig die Produktion gedrosselt und die Energieversorgung neu organisiert werden musste, so wurde dadurch nur verdeckt, dass bereits ab Ende 2017 die Industrieproduktion in Deutschland zurückging. Die herrschende Klasse reagierte mit riesigen Entlastungspaketen für Unternehmen, während wir Arbeiter:innen mit mickrigen Ausgleichsprämien, Kurzarbeit und Nebenkostenexplosionen bedient wurden.

Dadurch wurde die Krise jedoch nur weiter verschärft. Die verschiedenen Krisenherde auf der Welt und der Aufstieg neuer Imperialistischer Mächte, wie China, machen dem stark exportabhängigen deutschen Imperialismus besonders schwer zu schaffen.

Seit 2018 ist die Industrieproduktion rückläufig und nie wieder auf ihr bisheriges Allzeithoch aus November 2017 gestiegen, was auf eine tiefere, strukturelle Krise des deutschen Wirtschaftssystems hinweist. Gleichzeitig zeigt sich eine 2018/2019 eine Überproduktionskrise, die durch die Corona-Pandemie, die den erwarteten Aufschwung durch insbesondere Lieferkettenunterbrechungen abwürgte. Die Krise wurde dann zusätzlich durch den Ukraine-Krieg beeinflusst. So stiegen Energiepreise nach Kriegsausbruch um teilweise 300%. 2023 kam die nächste im Kapitalismus zyklische Krise, z.B. mit Abbau von Überkapazitäten in der Tech-Industrie in den USA und einer weltweiten Baukrise.  In diesem Zusammenhang gab es eine Neuorganisierung der globalen Lieferketten, die sich negativ auf den deutschen Exportsektor ausgewirkt hat. Diese Krise ist jedoch nicht isoliert zu betrachten, sondern steht in engem Zusammenhang mit den sich zuspitzenden Widersprüchen auf Weltebene, insbesondere zwischen China und den USA.  Deutschland, als stark exportabhängige Nation, ist auf funktionierende Lieferketten und stabile Handelsbeziehungen angewiesen. Die eskalierenden Spannungen zwischen den USA und China haben die globalen Handelsströme gestört, was für den deutschen Imperialismus eine erhebliche Herausforderung darstellt. Wir können in Deutschland seit 2018 von einer Krise mit anschließender dauerhafter schwankender Stagnation sprechen.

Aufrüstung und verpasster Strukturwandel

Bürgerliche Politiker:innnen und Kapitalist:innen führen für die Probleme der deutschen Wirtschaft vor allem den Ukraine-Krieg oder die Situation der Weltwirtschaft an, so als wäre der deutsche Imperialismus nur Opfer seiner Umstände. Deutschland ist jedoch fern davon, nur ein Fähnchen im Wind zu sein und die aktuelle Situation von Kürzungspolitik und Entlassungen sind klare Entscheidungen der Herrschenden. Es gibt zudem auch spezifische Probleme des deutschen Imperialismus, die zu krisenhaften Wirtschaftsentwicklung führen

Die Abhängigkeit von der Automobilindustrie, die den Strukturwandel verpasst hat, hat zur Verschärfung dieser Krise beigetragen. Deutsche Autokonzerne  setzten auf die Modelle gesetzt, die ihnen die besten Profitraten versprochen haben (z.B. große PKWs) So äußern Wirtschaftsexperten des Kapitals, dass die Umstellung auf E-Mobilität zu spät stattfand, wodurch vor allem imperialistische Konkurrenten, wie China große Teile dieses Marktes übernommen haben7.

Die herrschende Klasse reagierte mit riesigen Entlastungspaketen für Unternehmen, während wir Arbeiter:innen mit mickrigen Ausgleichsprämien, Kurzarbeit und Nebenkostenexplosionen bedient wurden. Dadurch wurde die Krise jedoch nur weiter verschärft. Ein weiteres Problem ist, dass der deutsche militärische Komplex hochgefahren werden soll, was zu massiven Aufrüstungskosten führt. Gleichzeitig mussten die Abhängigkeiten von Russland, die sich über Jahre aufgebaut haben, sehr schnell gekappt werden, was die Situation weiter verkomplizierte. Auch der Übergang zu grünem Strom, der notwendig wurde, um Deutschlands Energieversorgung unabhängig zu machen und vergeblich Klimaziele zu erfüllen, hat zu steigenden Energiepreisen und Unregelmäßigkeiten in der Versorgung geführt, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft weiter untergräbt.

Die Krise auf dem Rücken der Arbeiter:innen

Während Olaf Scholz immer wieder versuchte, die Klassengegensätze zu verwischen und behauptete, dass wir alle im gleichen Boot sitzen würden, zeigte die Realität deutlich, auf wessen Rücken die Krise ausgetragen wird. Fehlende oder nicht ausreichende Lohnsteigerungen bei gleichzeitiger massiver Inflation quetschten unsere Ersparnisse in die Taschen der Kapitalist:innen. Seit Beginn der Krise ist ein Anstieg der Insolvenzen vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen zu verzeichnen. So trifft es z.B. die Bauindustrie8, welche lange als stabiler Zweig galt. Inzwischen schießen die Insolvenzen weiter durch die Decke und machen auch vor größeren Unternehmen nicht mehr halt. Auch hier leiden an erster Stelle die Beschäftigten. Nur die großen deutschen Monopole können weiterhin Rekordgewinne verzeichnen und schütten Milliarden an Dividenden aus. Außerdem beschloss der Bundestag eine Erhöhung der Diäten über 6% für sich selbst, währenddessen fleißig an Lebensstandardsenkungen für uns Arbeiter:innen gearbeitet wurde.

Für uns bedeuten diese Insolvenzen andauernde Angst vor Arbeitslosigkeit oder Verlegung des Arbeitsplatzes in ein anderes Bundesland. Was für die Kapitalist:innen das Hin- und Herschieben von Zahlen ist, bedeutet für uns den Verlust unseres sozialen Umfelds oder ein Gang in die Privatinsolvenz, weil das Auto oder das Haus noch nicht abbezahlt sind. Ebenso drastisch ist der Arbeitsplatzverlust für tausende von Familien. Für Frauen kann das bedeuten, dass sie noch stärker abhängig von ihrem Partner werden, da sie nun über keine eigenen finanziellen Mittel verfügen.

Monopole in der Krise

Spätestens seit Sommer 2024 können sich auch die deutschen Monopole den Krisenerscheinungen nicht entziehen. Besonders in der Stahlindustrie und der Automobilindustrie machen sich starke Absatzeinbrüche bemerkbar. Die Produktionskapazitäten können nicht mehr ausgeschöpft werden und die Produktion wird heruntergefahren. Deshalb haben die Kapitalist:innen von ThyssenKrupp, VW, Bosch, Ford, ZF, Continental und vielen weiteren Unternehmen die größten Stellenstreichungen seit langem angekündigt. Viele Unternehmen wollen in den nächsten Jahren mehrere tausend Stellen vernichten und damit tausende Arbeiter:innen in die Arbeitslosigkeit schicken.

Sie begründen das allgemein mit der Krise, für die niemand etwas könne, mit den Herausforderungen der Energiewende oder mit der Gefahr durch China. Damit lenken sie jedoch davon ab, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise der Monopole selbst für die Krise verantwortlich ist, die Energiewende gerade deshalb notwendig ist, weil die Monopole jahrelang die Umwelt verschmutzt haben und dass sie sich selbst auf dem Weltmarkt in Konkurrenz zu den Monopolen anderer Länder bringen. Sie sehen in erster Linie ihre bisherigen Profite gefährdet und sparen deshalb bei den Kosten für Löhne ein, um weiter Gewinne erzielen zu können. Besonders drastisch ist das aktuell am Beispiel des VW-Konzerns zu sehen. 2023 konnte ein Rekordumsatz in der Konzernhistorie erzielt werden, aus welchem deutliche Gewinne hervorgingen und auch dieses Jahr sind Gewinne prognostiziert. Die 35.000 Stellen, die dort in den nächsten Jahren gestrichen werden, sorgen also lediglich dafür, dass die Gewinne weiter in die Taschen der Konzernbosse fließen können.

DGB-Gewerkschaften ohne Gegenwehr

Obwohl die IG-Metall durch die Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie im Herbst sogar den legalen Rahmen gehabt hätten, um Streiks gegen den Stellenabbau zu organisieren, wurde dieser bei weitem nicht genutzt. Nach ein paar wenigen Warnstreiktagen wurde ein fauler Kompromiss mit dem Kapital geschlossen, der einen weiteren Reallohnverlust für die Beschäftigten bedeutete. Auch in der kriselnden Baubranche und der Chemieindustrie wurden sehr schlechte Ergebnisse für die Beschäftigten erzielt.

Das liegt daran, dass die DGB-Gewerkschaften in Deutschland das Konzept der Sozialpartnerschaft verfolgen und die Standortlogik des deutschen Imperialismus verteidigen. Sie sichern den Kapitalist:innen am Verhandlungstisch zu, ihre Interessen mit zu verteidigen und setzen sich nur soweit für höhere Löhne ein, dass die Arbeiter:innen genügend Mitgliedsbeiträge zahlen können. Ein konsequenter Arbeitskampf, der die Gewinne der Konzerne ankratzt und wirkliche Reallohngewinne und Stellengarantien bringt, wird von den DGB-Gewerkschaften nicht durchgesetzt.

Die Sozialpartnerschaft bröckelt

Doch ganz so einfach gestaltet sich die Durchsetzung der Sozialpartnerschaft für die Gewerkschaften aktuell nicht. Denn die Kolleg:innen in den Betrieben sind zurecht aufgebracht über die Situation und die Angriffe auf uns Arbeiter:innen. So kam es bei Thyssen-Krupp mehrmals zu spontanen Betriebsversammlungen, bei Ford gab es spontane Streikaktionen und die VW-Vorstände wurden von Pfeifkonzerten empfangen. Auch für die DGB-Gewerkschaften geht es irgendwann zu weit, wenn ganze Standorte geschlossen werden und die zuständigen Gewerkschaftsfunktionäre tausende zahlende Mitglieder in ihrem Bezirk verlieren würden.

Aktuell schaffen sie es dann jedoch, diesen spontanen Widerstand in geordnete Bahnen zu lenken. Bei VW, dem Aushängeschild der deutschen Sozialpartnerschaft, wurde es zuletzt wieder deutlich, wie die IG-Metall in solchen Fällen vorgeht. Auf pompösen Betriebsversammlungen werden große Kampfansagen getätigt und die größten Streiks angekündigt, die das Unternehmen je gesehen habe, dann wird 5 Tage lang hinter verschlossenen Türen „sehr hart“ verhandelt und es kommt ein Ergebnis raus, das als absoluter Gewinn verkauft wird, jedoch eigentlich einen Verlust für die Arbeiter:innen bedeutet. Im Fall der letzten Tarifrunde bei VW wurden eine Nullrunde mit Bonikürzungen und 35.000 Stellenstreichungen akzeptiert, aber der Erhalt von Werken als Gewinn verkauft.

Die spontane Wut in konsequenten Widerstand verwandeln

Viele unserer Kolleg:innen merken aktuell, dass sich nicht für ihre Interessen eingesetzt wird. Das Vertrauen in die Systemgewerkschaften bröckelt zurecht, aber es fehlt an Vorstellungen darüber, welche Alternativen es gibt. Die spontanen Aktionen und die Wut unserer Klasse zeigen, dass sie bereit ist, sich für ihre Interessen einzusetzen. Damit wir jedoch dauerhaft erfolgreich sein können, brauchen wir Organisationsformen, in denen wir unabhängig von den Konzernen und den Stellvertreter:innen der DGB-Gewerkschaften handlungsfähig sind.

Für uns bedeutet das, dass wir ein Bewusstsein dafür schaffen müssen, dass der deutsche Imperialismus unser Feind ist, egal ob in Aufschwung- oder Krisenzeiten. Wir kriegen nur einen kleinen Teil unseres Arbeitstages bezahlt, der Rest geht in die Taschen der Chefs oder in die Staatskassen, welche unsere Repressionen mit Militär und Polizei finanzieren. Wir sind diejenigen, die für den Profit einiger weniger ausgebeutet werden und wir sind diejenigen die für ihre Interesse in den Krieg geschickt werden, wenn die zwischen-imperialistischen Spannungen weiter zunehmen. Aber wir Arbeiter:innen sind auch diejenigen, die die Gesellschaft am Laufen halten und gemeinsam eine freien Gesellschaft erkämpfen können. Dafür wollen wir gewerkschafts- und parteiunabhängige Betriebsstrukturen aufbauen, in welchen wir für unsere politischen und ökonomischen Interessen gemeinsam kämpfen können!


  1. https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/bosch-autoindustrie-elektromobilitaet-
    100.html ↩︎
  2. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/ford-stellenabbau-106.html ↩︎
  3. https://www1.wdr.de/nachrichten/thyssenkrupp-stahl-will-5-000-stellen-abbauen-100.html ↩︎
  4. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/amazon-jobabbau-101.html ↩︎
  5. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/deutsche-bahn-verlust-106.html ↩︎
  6. https://www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/deutschland-prognose-der-bundesbank-wirtschaft-kaempft-mit-hartnaeckigem-gegenwind-947514 ↩︎
  7. https://www.swr.de/swraktuell/radio/wirtschaftsexperte-schularick-strukturwandel-in-autobranche-nicht-aufhalten-100.html ↩︎
  8. https://perspektive-online.net/2024/01/wirtschaftskrise-bauindustrie-rechnet-mit-abbau-von-10-000-stellen/ ↩︎