Am 1. Mai ist der Kampftag der Arbeiterklasse. Die Pandemie hatte 2020 massive Auswirkungen auch auf die Arbeitswelt. Die Folgen für Streikaktivitäten der Gewerkschaften in Frankreich, Italien, USA und China sind unterschiedlich.
Trotz der Corona-Einschränkungen haben zahlreiche Beschäftigte im vergangenen Jahr für die Sicherung ihres Arbeitsplatzes, bessere Arbeitsbedingungen oder mehr Lohn gestreikt. Wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ermittelt hat, fielen in Deutschland 2020 insgesamt rund 342.000 Arbeitstage wegen Arbeitskämpfen aus – kaum weniger als im Jahr zuvor. Umfangreiche Arbeitskampfaktionen gab es etwa im Herbst im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen und im öffentlichen Nahverkehr. Auch in anderen Volkswirtschaften waren die Gewerkschaften aktiv:
Frankreich: Gewerkschaften aktiv wie immer
In Frankreich wird gerne und häufig gestreikt, daran konnte auch das Corona-Jahr 2020 nicht wirklich etwas ändern. Zwar war es 2020 etwas schwieriger durch die Lockdowns und das Verbot großer Versammlungen an vielen Orten. Dafür aber haben sich die Gewerkschaften ein Stück weit neu erfunden: Virtuelle Generalversammlung statt schlecht belüftete Konferenzzentren, kleine Diskussionsrunden statt große Kundgebung. „Natürlich ist das etwas anderes, wenn viele unterschiedliche Initiativen zu einer Demo zusammenkommen“, sagt Fabrice Angéi von der Gewerkschaft CGT, eine der größten in Frankreich, gegenüber dem Journal de Dimanche.
Die Themen der Gewerkschaften wie Arbeitsbedingungen oder gerechter Lohn sind weiterhin aktuell – durch Corona vielleicht sogar ein bisschen mehr. Das Vertrauen in die Gewerkschaften ist 2020 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen. Nachdem letztes Jahr am 1. Mai wegen des Confinements, also des Lockdowns, die traditionellen Demos vor allem im Netz stattfanden, geht es dieses Jahr wieder auf die Straße. Überall in Frankreich haben die Gewerkschaften zu Demonstrationen aufgerufen.
Italien: Weniger Streiks wegen Kündigungsstopp
Corona-bedingt sind in Italien die Streikaktivitäten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zurückgegangen. Das liegt zum einen an den allgemein gültigen, strengen Corona-Maßnahmen. Zum anderen aber auch daran, dass die Regierung einen weltweit einmaligen Entlassungsstopp für alle Branchen erwirkt hat, der seit Beginn der Pandemie gilt und den sie bis diesen Juni verlängert hat. Erst nach Ablauf dieser Frist dürfen Unternehmen ihre Mitarbeitenden wieder kündigen. Wenn sich Firmen aus dem staatlichen Corona-Notfonds bedient haben, gilt der Kündigungsstopp sogar bis in den Herbst. Die Regierung von Ministerpräsident Draghi will bis dahin tiefgehende Reformen der Sozialversicherung auf den Weg bringen.
Abgesehen von der Zeit der Corona-Krise ist Italien kein Land, in dem besonders wild gestreikt wird. Die Gewerkschaften müssen sich an strenge Regeln halten und ihre Streiks im Gegensatz zu Deutschland mindestens zehn Tage vorher ankündigen. Streiks bei Fluglinien, Zug-, Bus- oder dem Fährverkehr müssen so organisiert sein, dass ein Mindestangebot bestehen bleibt. So dürfen zum Beispiel Piloten und Lokführer nicht gleichzeitig streiken. Die Streiks sind deshalb oft eher klein und regional. Die klassischen Pendlerzeiten zwischen 6 Uhr und 9 Uhr früh und am Abend zwischen 18 und 21 müssen in der Regel vom Streik ausgenommen sein. Das Transportministerium überwacht die Streiks und führt auf seiner Internetseite einen genauen Streikkalender, den calendario scioperi, auf dem sich jeder Bürger rechtzeitig informieren kann. Klassischer Streikbeginn ist um 9.01 Uhr, Streikende in der Regel um 17.59 Uhr. Die Gewerkschaften haben sich schon des Öfteren beschwert, dass die Beschränkungen für Streiks in Italien zu groß seien.
USA: Trendwende durch Biden?
In den USA haben Gewerkschaften, verglichen zu Deutschland, wenig Einfluss. Es gibt keine Tarifverhandlungen nach Branchen, sondern es muss Standort für Standort verhandelt werden. „Die Arbeiter bekommen es von zwei Seiten“, sagt David Madland vom Center for American Progress, einem linksliberalen Think Tank. „Sie haben wenig Macht am Arbeitsplatz und wenig Macht in der Politik.“ Und das liege daran, dass die Gewerkschaften so schwach sind.
Präsident Joe Biden will das ändern. Er hat schon im Wahlkampf angekündigt, dass er der gewerkschaftsfreundlichste Präsident seit Jahrzehnten sein will. Gerade ist ein Gesetz auf dem Weg, das es den Unternehmern erschweren soll, Gewerkschafter unter Druck zu setzen. Auch die Republikaner haben ihr Herz für das Thema entdeckt, schließlich hat besonders Donald Trump viele Arbeiter angesprochen.
Wie unklar die Lage ist, zeigten kürzlich der Konflikt bei Amazon in Alabama. Amazon-Gründer Jeff Bezos ist der reichste Mann der Welt und auch in Zukunft wird es in seinem Konzern keinen Standort geben, der gewerkschaftlich organisiert wäre. Fast 6000 Mitarbeiter des Logistikzentrums in Bessemer, Alabama, waren aufgerufen, darüber abzustimmen. Mehr als die Hälfte von ihnen beteiligte sich und gab ein klares Meinungsbild ab: Die Mehrheit der Beschäftigten möchte keine Gewerkschaft. Am Ende der Auszählung stand es rund 1.800 Nein-Stimmen zu rund 760 Ja-Stimmen. Der größte Arbeitskampf in der Geschichte von Amazon war zugunsten von Amazon ausgegangen.
China: Lokal begrenzte Streikaktionen
Wie viele Arbeitskämpfe, Streiks und Proteste es in China in den letzten Monaten gab, ist schwer zu ermitteln. In der kommunistischen Volksrepublik gibt es keine freien Gewerkschaften. Der Gesamtchinesische Gewerkschaftsbund dient der Kommunistischen Partei. Eine Hongkonger Nichtregierungsorganisation, China Labour Bulletin (CLB), führt für die letzten sechs Monate rund 500 Proteste und Arbeitskämpfe auf – in der Regel örtliche begrenzte Aktionen etwa auf Großbaustellen, wenn Löhne nicht rechtzeitig oder nicht vollständig ausgezahlt werden.
Im Zuge der Corona-Pandemie haben im letzten Jahr viele Menschen ihre Jobs verloren. Viele suchten im informellen Sektor ein Auskommen – etwa als Ausliefer-Fahrer bei großen Online-Plattformen. Allein sechs Millionen Menschen in China verdienen ihr Geld als Fahrer für Essens-Lieferdienste. Doch die Arbeitsbedingungen sind schlecht und die Löhne wegen der wachsenden Konkurrenz gesunken.
Chinas hat zwar die Pandemie mittlerweile überwunden, die Industrieproduktion läuft wieder, aber die Arbeitsbedingungen haben sich dadurch nicht verbessert. So haben viele chinesische Provinzen im letzten Jahr die gesetzlichen Mindestlöhne wegen der Pandemie eingefroren – und nur wenige haben bislang laut CLB für dieses Jahr Erhöhungen angekündigt.
Quelle: Bayerischer Rundfunk