Es geht um 4400 Jobs: Arbeitskampf bei Schaeffler spitzt sich zu

0:00

Schaeffler baut in ganz Deutschland massiv Arbeitsplätze ab. Betroffen könnten 4400 Stellen an insgesamt 17 Standorten sein. Mit einem Protest am Schaeffler-Stammwerk in Herzogenaurach will der Betriebsrat auf die prekäre Situation aufmerksam machen – und möglichst viele Mitarbeitende erreichen.

Morgens um 5.30 Uhr. Schichtwechsel bei Schaeffler. Am Nordtor stehen Betriebsratsvorsitzende Hanna Köhler, ihr Stellvertreter Grigore Beutura sowie die Vertrauenskörperleiterinnen Ismene Bialkowski und Marinela Thiel mit einigen Mitstreitern und verteilen im Nieselregen Flugblätter. Es geht um viel, denn bei dem Automotive-Konzern stehen Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Es geht um insgesamt 4400 Arbeitsplätze an 17 Standorten, die abgebaut werden sollen. Sechs Standorte – Clausthal-Zellerfeld, Eltmann, Hamburg, Homburg-Kugelfertigung, Köln, Luckenwalde und Wuppertal – sollen ganz geschlossen oder verkauft werden. Das sieht das Programm „Space“ vor, mit dem der Schaeffler-Konzern umgebaut werden soll.

Bedrohliche Situation

Der eher stille Protest des Betriebsrats zum Auftakt eines bundesweiten Aktionstages – von „Streik“ ist noch nicht die Rede – zielt darauf ab, möglichst viele Mitarbeitende in der Stammwerk-Belegschaft zu erreichen und auf die bedrohliche Situation bei Schaeffler aufmerksam zu machen. „In normalen Zeiten passieren zum Schichtwechsel rund 7000 Menschen das Osttor“, weiß Betriebsrats-Vorsitzende Hanna Köhler.

Neben zweien der Drehkreuze stehen Schaufensterpuppen, denen die protestierenden Gewerkschafter Muster der neuen Firmenkleidung übergestreift haben. „Die will die Geschäftsleitung verbindlich einführen“, erzählt Hanna Köhler. „Erst neu einkleiden, dann rausschmeißen“, bringt Hanna Köhler das Konzept für sich auf den Punkt.

Verhandlungen laufen

Schon die ganze Woche über laufen Verhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretung und Firmenleitung. Am Freitag war die Industriesparte der weit verzweigten Schaeffler-Gruppe dran, deshalb organisierte der Betriebsrat relativ kurzfristig die Mahnwache. Eine Kundgebung sei derzeit angesichts des anhaltenden Corona-Lockdowns weder genehmigungsfähig noch sinnvoll, meint Hanna Köhlers Stellvertreter Grigore Beutura. Der Betriebsrat rechnet auch nur mit etwa 3300, die Notiz von der Arbeitskampf-Maßnahme nehmen.

Die Forderungen der IG Metall sind deutlich: Keine Standortschließungen und keine betriebsbedingten Kündigungen, statt dessen eine gezielte und konsequente Stärkung aller deutschen Standorte soll das Ziel der Verhandlungen sein.

„Auf diesem Ohr taub“

„Der Arbeitgeber ist auf diesem Ohr allerdings taub“, beschreibt Hanna Köhler die Erfahrungen aus den ersten Verhandlungsrunden. Die „klare Erwartungshaltung“, dass das Unternehmen sich für die Alternativlösungen der Betriebsräte öffnet, sei bislang enttäuscht worden, berichtet Grigore Beutura.

Neben Flugblättern, die auf den drohenden Verlust der Arbeitsplätze hinweisen, werden bei der Mahnwache auch Postkarten verteilt, adressiert an den Schaeffler-Vorstandsvorsitzenden Klaus Rosenfeld. „Niemand geht über Bord“ steht auf einem stilisierten Papierschiffchen. Das IG-Metall-Logo „schwebt“ daneben hinter einem Wälzlager, nach wie vor eines der Kernprodukte des Autozulieferers Schaeffler.

„Technologische Kreativität“

„Statt Schließung oder Verkauf von Standorten setzen wir auf technologische Kreativität und zukunftsfähige Produkte, um Standorte weiterzuentwickeln und auch das Produktionsvolumen zu steigern“, zitiert Hanna Köhler aus dem Flugblatt, das sie und ihre Betriebsrats-Kolleginnen und -Kollegen an die Schaeffler-Belegschaft verteilen.

Bis zum Ende der Verhandlungen gilt die sogenannte Friedenspflicht, danach sind Streiks möglich. Und nach derzeitiger Sachlage auch wahrscheinlich.

Quelle: Nordbayern.de