Am Essener Kükelhaus-Berufskolleg sind Schüler am Dienstag in einen Corona-Streik getreten. Der sogenannte „Hybrid-Streik“ findet Sympathie.
Am Hugo-Kükelhaus-Berufskolleg im Essener Südviertel hat der Streik begonnen, zu dem sich Schüler freiwillig ins „Home Schooling“ begeben und wochenweise zu Hause lernen wollen. Die Schülervertretung hatte den so genannten „Hybrid-Streik“ am Wochenende angekündigt als Maßnahme für einen besseren Infektionsschutz. Dazu sollen die Klassen geteilt und nur jede zweite Woche in der Schule unterrichtet werden. In den anderen Wochen wollen die Schüler selbstständig und mit der Internet-Lernplattform „Moodle“ ihren Stoff lernen. Luisa Maria Cagnazzo (22), Schülersprecherin, betont: „Es ist nicht so, dass wir nicht lernen wollen.“
Die Aktion findet viel Beachtung und Zustimmung. „Bei mir haben sich die Vertreter mehrerer Schulen gemeldet, die Näheres wissen wollten“, berichtet die Schülersprecherin. Dazu zählten unter anderem Schüler des Ruhrkollegs, einem Weiterbildungskolleg in Huttrop, und des Berufskollegs im Bildungspark (Altenessen). Bislang gebe es aber keine Nachahmer.
Schulleitungen verweisen auf die bestehende Schulpflicht
Die Leitungen dieser Schulen wissen bislang nichts von derlei Initiativen – und machen auf den Rechtsrahmen aufmerksam: „Es gibt eine Schulpflicht, und so lange das Land den Distanzunterricht nicht ausdrücklich zulässt oder verordnet, besteht dazu auch keine Veranlassung“, sagt Ingrid Kratkey vom Berufskolleg im Bildungspark. Auch Reinhild Vogt, Leiterin des Kükelhaus-Berufskollegs, hatte in Aussicht gestellt, dass alle Fehlstunden, die durch den „Hybrid-Streik“ entstehen, als unentschuldigt auf den Zeugnis eingetragen werden müssten.
Dabei ist an den Berufskollegs der Wunsch vieler Schüler nach „Homeschooling“ offenbar besonders groß. Das betrifft vor allem die Berufsschüler, die derzeit eine betriebliche Ausbildung machen. Firmen, die ihre Azubis ins Homeoffice schicken, wollen verhindern, dass sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Berufsschule anstecken. Vielerorts stehen betriebliche Prüfungen an. Nachholtermine gibt es nicht.
An den anderen weiterführenden Schulen ist das Thema „Hybrid-Unterricht“ weiter täglich in der Diskussion, auch wenn das Land derzeit keine Anstalten macht, die Vorgabe zu lockern, dass Präsenzunterricht weiter Pflicht bleibt. „Schüler wechsel- und wochenweise zu unterrichten, hätte mehrere Vorteile“, sagt Berthold Urch, Leiter des Alfred-Krupp-Gymnasiums und Sprecher der Essener Gymnasien. „Der Infektionsschutz wäre besser gewährleistet und die Arbeitsbelastung der Lehrer würde nicht weiter steigen.“ Das tut sie nämlich, wenn unterschiedliche Schüler zeitgleich im Präsenz- und Distanzunterricht sitzen. „Da machen Sie die Arbeit doppelt.“
Schulen haben Konzepte für „Hybrid-Unterricht“ in den Schubladen
Berthold Kuhl, Sprecher der Essener Gesamtschulen und Chef an der Frida-Levy-Gesamtschule, betont, dass sein Haus einen Hybrid-Plan in der Schublade hat, der sofort umgesetzt werden könne. „Ich würde das begrüßen.“ Sein Modell: die Lerngruppen aufzuteilen in Vor- und Nachmittagsschichten. Solche Konzepte liegen fast überall bereit.
„Es gibt nicht das eine Hybrid-Modell, das für alle Schulen und Bildungsgänge passt“, sagt Georg Greshake, Leiter des Berufskollegs West und Sprecher der Essener Berufskollegs. An seinem Haus, das manche Schüler bis zum Abitur führt und andere bis zum mittleren Schulabschluss, werde derzeit der Schaden deutlich, den die wochenlangen Schulschließungen von Mitte März bis zu den Sommerferien verursacht hätten: „Viele Schüler aus den Bildungsgängen, die zum Mittleren Schulabschluss führen, sind das Lernen nicht mehr gewohnt.“ Dort sei die Anwesenheit der Schüler dringende Voraussetzung, zumal diese jungen Erwachsenen häufig digital nicht erreichbar seien.
Unterdessen begrüßt die Ratsfraktion der Linken den Schülerstreik im Südviertel und fordert die Stadt auf, „ein einheitliches, stadtweites Vorgehen mit Möglichkeiten für individuelle Lösungen auf den Weg zu bringen.“
Quelle: WAZ