„In der Pflege ist nie der richtige Zeitpunkt für einen Streik!“

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Im Zuge der Tarifverhandlungen der Länder (TdL) kam es an mehreren Kliniken zum Streik. In einem Video äußerten sich nun zwei Vorstandsmitglieder des Universitätsklinikums Leipzigs zum Streik. Sie ziehen mit ihren Aussagen den Zorn der Beschäftigten auf sich.

Am 16. November 2021 streikte das Personal des Universitätsklinikums Leipzig zusammen mit ver.di für 300€ mehr im Monat. Sechs Tage später, melden sich der aktuelle Medizinische Vorstand des Universitätsklinikums Leipzig, Prof. Christoph Josten, und der kaufmännische Vorstand des Universitätsklinikums Leipzig, Dr. Robert Jacob, in einem Video zu Wort. Das Video wurde von der Unternehmenskommunikation hausintern verschickt. Das Video ist auf YouTube nicht per Suchfunktion zu finden, liegt allerdings perspektive-online.net vor.

Christoph Josten setzt zuerst zu einer Lobrede an das Klinikpersonal an, in der er „Engagement“, „Arbeitswillen“ und die „liebevolle Betreuung“ der Patient:innen hervorhebt.

Der Hauptteil des Videos geht aber auf das Streikgeschehen am 16. November 2021 ein. „Es macht mich wütend, wenn ich durch die Blume raushöre, wir würden mit so einem Streik Menschenleben gefährden.“, äußerte sich Theresa Nobes*, Pflegerin am UKL, gegenüber Perspektive.

Tatsächlich sagt Christoph Josten, dass ihm als „medizinischer Vorstand und Arzt“ das Verständnis für den Streik fehle. „Mit diesem Totschlagargument, wir seien verantwortungslos, wird immer wieder versucht, Streiks in der Pflege zu verhindern – nicht nur in Zeiten der Pandemie“, kommentiert Nobes.

Kaufmännischer Vorstand wäscht seine Hände in Unschuld

Auch der kaufmännische Vorstand, Dr. Robert Jacob, kommt dann zu Wort. Seine Hauptargumente zielen darauf ab, zu suggerieren, der Haustarifvertrag am Uniklinikum Leipzig habe mit den aktuellen Tarifverhandlungen wenig zu tun. Er führt auch an, dass das UKL gar nicht mit am Verhandlungstisch sitze.

Die ver.di Sekretärin im Bereich Gesundheitswesen für Leipzig, Julia Greger, weist diese Behauptungen deutlich zurück: Der Haustarifvertrag gehe zwar in einigen Punkten aus Sicht der Beschäftigten positiv über den Landestarifvertrag hinaus, aber die Entgelttabellen würden vollständig aus dem Landestarifvertrag übernommen. Nur aus diesem Grund sei es überhaupt möglich gewesen, sich im Rahmen eines sogenannten „Partizipationsstreiks“ mit einem Warnstreik an den Tarifverhandlungen zu beteiligen.

Auch das Argument, das UKL sitze nicht mit am Verhandlungstisch, hält Greger für schwach, immerhin sei der Freistaat Sachsen hundertprozentiger Eigner des Universitätsklinikums Leipzig. Insgesamt hält Greger das Video des UKL-Vorstands für einen Beleg dafür, dass der Streik am 16. November trotz widriger Bedingungen durchaus erfolgreich war und der Unternehmensseite weh getan habe.

Nächster Warnstreik wird von ver.di selbst abgesagt

Nichtsdestotrotz macht offenbar auch ver.di die aktuelle Pandemie-Lage Sorgen. Rücksprachen mit den Kolleg:innen im Krankenhaus und auch die aktuelle Verordnung der Landesregierung, die Versammlungen mit mehr als zehn Menschen untersagt, haben insgesamt zum Entschluss geführt, den für morgen geplanten Warnstreik in Leipzig noch kurzfristig abzusagen.

Nobes zeigt sich von der Entscheidung enttäuscht. „In der Pflege ist nie der richtige Zeitpunkt für einen Streik. Außerdem sind nicht alle Stationen gleichermaßen von der Pandemie betroffen und solange die Notdienstregelung greift, sehe ich keinen Grund, weshalb dort, wo es machbar ist, nicht gestreikt werden soll.“

Ver.di jedenfalls erhofft sich nun ein Einlenken der Arbeitgeberseite: „Wir erwarten von den Arbeitgebern jetzt, dass sie ebenfalls in die Verantwortung gehen und die Situation im Gesundheitswesen erkennen, ernst nehmen und in den anstehenden Verhandlungen den berechtigen Forderungen nachkommen.“, heißt es in der Absage des Warnstreiks.

Auch Prof. Josten schloss die gegen die Teilnahme an Streiks gerichtete Videobotschaft mit der Zusage, man werde alles tun, um Verschlechterungen in Vergütung und Arbeitsumfeld zu vermeiden. Pflegerinnen wie Nobes hingegen scheint das wenig zu beruhigen: „Wir haben eine Inflation von 5%. Lebensmittel werden teurer. Heizkosten werden teurer. Wir bezahlen 20 bis 30 Cent mehr für den Liter Sprit und bekommen nicht mehr Geld dafür – also geht’s uns doch finanziell schlechter!“

*Name von der Redaktion geändert

Quelle: Perspektive Online