Wir spiegeln einen Artikel von Perspektive Online über einen Besuch beim LKW-Streik in Gräfenhausen.
Ausstehende Löhne, Morddrohungen, dauerhafte Übernachtung im LKW – in Gräfenhausen bei Frankfurt streiken LKW-Fahrer der polnischen Spedition LUK MAZ. Eine Delegation der “Föderation Klassenkämpferischer Organisationen” (FKO) war vor Ort um ihre Solidarität zu zeigen. – Wir haben sie über ihren Besuch bei den Arbeitern interviewt.
Wie ist euer Besuch abgelaufen?
Am Samstag morgen haben wir als FKO-Aktivist:innen des “Solidaritätsnetzwerks” und “Betriebskampfs” gemeinsam mit der “Internationalen Jugend” den Streik der LKW-Fahrer auf dem Rastplatz Gräfenhausen West besucht. Es ist ein Rastplatz, der bereits Ende März diesen Jahres Schauplatz eines Streiks von LKW-Fahrern des gleichen Unternehmens wurde.
Mit einigen Getränken für die Fahrer beladen, fuhren wir am Samstag morgen zum Rastplatz. Kaum haben wir hinter einem der vielen blauen LKW angehalten, kamen auch schon ein Dutzend Trucker auf uns zu. Wir machten uns kurzum bekannt und haben uns schnell auf eine gemeinsame Sprache geeinigt. Mit den usbekischen Fahrern konnten wir uns auf türkisch unterhalten.
Was passiert gerade in Gräfenhausen?
In Gräfenhausen findet ein Streik statt – ein wilder! Keine Gewerkschaft, keine Streikkasse, keine Versorgung. Dafür provisorische Küchen mit Gaskocher draußen und gemeinsames Essen auf der Ladefläche. Die LKW-Fahrer berichten uns, dass ihre Löhne seit bis zu drei Monaten nicht ausbezahlt wurden. Das Unternehmen sanktioniere willkürlich alle Spritkosten über 26l /100km, sodass die Fahrer alles, was drüber liegt, aus eigener Tasche bezahlen müssen. Bei einigen Fahrern bedeutet das Kosten in Höhe von bis zu 1.000€.
Das Unternehmen würde trotz genauer Standort-Koordinaten und GPS-Trackings behaupten, man hätte private Erledigungen mit dem LKW gemacht. Dabei seien die Fahrer genötigt, ihre teils weiten Einkäufe zu Fuß zu erledigen.
Eigentlich ist das Unternehmen verpflichtet, nach zwei Wochen LKW-Übernachtung für die Fahrer am zweiten Wochenende eine Unterkunft zu mieten und eine Ruhepause am Samstag und Sonntag zu gewährleisten. Diese Forderung werde nicht erfüllt. Stattdessen sollen die LKW-Fahrer durcharbeiten und bleiben auf den hohen Strafen sitzen, welche die Polizei bei solchen Verstößen ausspricht
Wie ist es zum Streik gekommen?
Uns wurde berichtet, dass die georgischen Arbeiter den Rastplatz als erstes ansteuerten. Was den Kollegen vielleicht nicht ganz bewusst war: Die usbekischen Fahrer kamen ebenfalls aus ganz Europa nach Gräfenhausen. Teilweise sind sie nach ihren Aussagen aus 1.200 km Entfernung angerückt. So haben zeitweise über 50 blaue LKW auf dem Rastplatz ihre Motoren abgestellt. Der Grund dafür, sich in Gräfenhausen zu treffen: Gräfenhausen liegt unter anderem mittig zwischen Lettland und Madrid – beides Beispielstrecken für Länder, die von den Fahrern regelmäßig angesteuert werden.
Zudem fühlen sich die Fahrer in Deutschland sicherer. Sie berichten, dass sie in der Vergangenheit von Manzurs Söldnern in Frankreich mit Pistolen bedroht und zum Weiterfahren gezwungen wurden. Viele weitere Kollegen möchten nachkommen, können dies aber nicht aufgrund der Sperrung der On-Board-Unit durch die Zentrale. Ohne diese kommen sie nicht über die Grenze.
Was sind die Forderungen, und wie geht der Unternehmer mit den Arbeitern um?
Die Fahrer fordern die Ausbezahlung ihrer Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Allerdings sieht die Mehrheit keine Perspektiven mehr bei “LUK MAZ”, dem Unternehmen von Lukasz Manzur. Sie hoffen darauf, dass deutsche Unternehmen auf sie zukommen. Diese hätten höhere Standards. Bereits im März hätten einige Fahrer, deren Geldforderungen erfüllt wurden, ihre LKW auf dem Rastplatz stehen gelassen und gekündigt.
Ein Unterschied zu den Protesten im März ist jetzt unter anderem, dass Lukasz Manzur diesmal den Forderungen nachzukommen scheint. Beim letzten Mal schickte er gewalttätige Söldner in einem gepanzerten Fahrzeug zum Rastplatz. Doch diesmal scheint er, den Protest anders beenden zu wollen. Er versucht ihn zu spalten, indem er immer nur einen Teil der Fahrer ausbezahlt. Während einige wenige daraufhin abgerückt sind, bleiben andere aus Solidarität so lange stehen, bis alle ihr Geld erhalten haben.
Wie kann Solidarität geübt werden?
Der Streik der Fahrer betrifft uns alle. Wir müssen uns branchenübergreifend solidarisieren. Wie oben erwähnt, haben die Fahrer keine Streikkassen und hausen in ihren LKW. Wir müssen es uns zur Aufgabe machen, ihr “Backup” zu sein.
Als wir dort waren, wurden wir Zeugen von Getränke- und Lebensmittelspenden. Das ist praktische Solidarität! Doch wir dürfen nicht vergessen: ihre Situation rührt auch daher, dass deutsche Unternehmen wie Mercedes Benz mafiöse Unternehmen wie LUK MAZ beschäftigen, um ihre Waren zu transportieren. Das bedeutet für uns, dass wir auch Druck auf Unternehmen wie dieses ausüben müssen. Ihre Profite ziehen sie aus diesen Fahrern.