Der Softwarekonzern SAP mit Hauptsitz im baden-württembergischen Walldorf ist nicht nur das wertvollste deutsche Unternehmen im deutschen Aktienindex Dax, sondern auch dafür bekannt sich mit allen Mitteln gegen Betriebsräte zu stellen.
Erst im Jahr 2006 konnte die Belegschaft mit Hilfe des Arbeitsgerichts die Bildung eines Betriebsrats durchsetzen. Die Unternehmensgründer und Großaktionäre Dietmar Hopp und Hasso Plattner hatten dies vorher mit allen Mitteln verhindert und sogar gedroht die Konzernzentrale dicht zu machen und zu verlegen, sollte ein Betriebsrat gewählt werden.
Anfang August 2019 haben Stefan Ries (Mitglied des SAP SE Vorstands) und Cawa Younosi (Personalchef) nun ein Mitglied des Betriebsrats fristlos entlassen. Ein offizieller Grund für die Kündigung ist bisher nicht bekannt. Laut der SAP-Presseabteilung soll es sich um eine „Individualentscheidung“ handeln, die nicht im Zusammenhang mit der Betriebsratsarbeit stehe. Dass das der Wahrheit entspricht, dürfte indes fragwürdig sein.
Kündigung wegen Betriebsratsarbeit
Sowohl die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die das gekündigte Betriebsratsmitglied vertritt, als auch der Betriebsratsvorsitzende Ralf Z. sehen das anders. Beide gehen davon aus, dass die Kündigung direkt mit der Betriebsratsarbeit des Kollegen zu tun hat.
„Die Kündigung halte ich für ungerechtfertigt, da diese meines Erachtens mit der Betriebsratstätigkeit zu tun hat“, so Ralf Z. in einer persönlichen Mitteilung. Martin Gerhardt, Leiter der CGM-Rechtsabteilung in Stuttgart geht davon aus, dass die Kündigung in Verbindung mit Informationsschreiben stehe, die das Betriebsratsmitglied regelmäßig an die Belegschaft geschickt habe und deren Inhalt von der offiziellen Linie der Unternehmensführung abweiche. In der jüngeren Vergangenheit soll das Unternehmen mehrfach versucht haben dem Betriebsratsmitglied die „betriebsübliche Kommunikation mit den Arbeitnehmern zu erschweren oder zu untersagen“. Hier versucht das Unternehmen einerseits die Betriebsratstätigkeit massiv einzuschränken und gleichzeitig die Meinungsfreiheit im Betrieb zu untersagen.
Die Kündigung könnte gleichzeitig ein Signal an die übrigen Betriebsratsmitglieder sein, um ihnen zu zeigen, wie man mit unbequemen Meinungen umgeht. Bei der CGM sieht man die Kündigung jedenfalls auch als „Disziplinierung der übrigen Betriebsratsmitglieder“.
Betriebsratsausschuss stimmt Kündigung zu
Verwunderlich an diesem Fall ist, dass der Betriebsrat die Entscheidung über seine Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds an einen siebenköpfigen „Ausschuss für personelle Maßnahmen“ (PEM) übertragen hat, welcher der Kündigung knapp zustimmte. Drei Tage später stimmte noch einmal der gesamte Betriebsrat über die Kündigung ab und lehnte diese mit großer Mehrheit ab.
Inwieweit der Betriebsrat die Entscheidung überhaupt an den Ausschuss delegieren durfte und welche Abstimmung nun bindet ist, ist strittig. Fest steht jedoch, dass der 43-köpfige Betriebsrat stark zersplittert und zerstritten ist. Eine ganze Reihe von Betriebsratsmitgliedern scheint hier eher im Sinne der SAP Geschäftsführung und Personalleitung zu arbeiten, als im Interesse der Mitarbeiter.
Ein erster Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Mannheim ist für den 16. Oktober 2019 vorgesehen. Das Betriebsratsmitglied wird dort von den CGM Anwälten Martin Gerhardt und Joachim Müller vertreten. SAP hat die bereits durch Union Busting Fälle bekannt gewordene Kanzlei Kliemt bzw. ihren Anwalt Frederik Möller beauftragt die Kündigung des Betriebsratsmitglieds durchzufechten.
SAP Deutschland SE & Co. KG mit Sitz in Walldorf ist Europas größter Softwarekonzern. Insgesamt beschäftigt SAP rund 98.700 Mitarbeiter, 23.000 davon in Deutschland und 15.000 davon in der Region Rhein-Neckar. Im laufenden Jahr streicht SAP 4.400 Stellen, davon rund 1.000 in Deutschland.
Quelle: Aktion gegen Arbeitsunrecht