Schleichende Tarifflucht bei EDEKA und Co.

Nichtbeachtung von Arbeitsrechten hat bei Supermarktketten Methode. Situation in privatisierten Läden für Beschäftigte besonders prekär.

Gelten die Tarifverträge im Einzelhandel für alle Beschäftigten? Diese Frage stellten kurz vor Weihnachten einige Angestellte von Edeka in Berlin, denn nicht alle erhielten die im Tarifvertrag festgelegten Zuschläge für Nacht- und Spätschichten – etwa Studierende, die als Aushilfe arbeiteten, oder andere, die auf Basis eines 450-Euro-Jobs angestellt waren.

Auf der Website perspektive-­online.net berichteten vor den Weihnachtsfeiertagen zwei Frauen von ihrem Kampf und der Reaktion der Unternehmensleitung. Erst nach wochenlangem Zögern habe die Leitung reagiert: Die Studenten bekamen die Zuschläge ausgezahlt, die sie eingefordert hatten – etlichen von ihnen sei daraufhin aber der befristete Arbeitsvertrag nicht verlängert worden. Den geringfügig Beschäftigten hat man dagegen die Zuschläge verweigert.

Von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi werden diese Zustände schon seit Jahren kritisiert – und es zeigt sich, dass das Vorgehen der Einzelhandelskonzerne Methode hat. Ein Großteil ihrer Filialen wird nicht von den Konzernen selbst betrieben, sondern von privaten Kaufleuten – und in deren Filialen gibt es oftmals schlechtere Arbeitsbedingungen. Von einer geplanten Betriebsratsgründung in Konstanz erhoffte sich Verdi Anfang Dezember eine Signalwirkung. Dem Südwestrundfunk erklärte die Gewerkschaft, dass es in diesen privatisierten Märkten faktisch keine Interessenvertretung für die Beschäftigten gebe. Und in diesen Filialen lägen die Löhne oft 20 bis 30 Prozent unterhalb des üblichen Tarifniveaus des Einzelhandels. Den dort arbeitenden Frauen, die oft nur in Teilzeit beschäftigt seien, drohe dadurch Altersarmut.

Bereits vor Jahren hatte Verdi die Broschüre »Schöne neue Handelswelt« herausgebracht, in der nachgewiesen wurde, dass Edeka und Rewe die Privatisierung von Märkten nutzten, um Tarifverträge zu unterlaufen, Löhne zu drücken und die Rechte der Beschäftigten zu beschneiden. Ein solches aus der formellen Konzernstruktur gelöstes Unternehmen gehöre »in der Regel keinem Arbeitgeberverband an, es gibt keine Tarifbindung und in den allermeisten Fällen auch keine Betriebsräte«, heißt es seitens der Gewerkschaft. Ohne den Schutz eines Tarifvertrages oder eines Betriebsrates seien viele Beschäftigte direkt oder indirekt von Dumpinglöhnen betroffen.

Die Edeka-Gruppe ist mit ihren rund 11.200 Filialen (2019) der größte Einzelhandelskonzern in Deutschland. Zu ihr gehören unter anderem Netto und Marktkauf. Der Konkurrent Rewe kommt (inklusive Nahkauf und Penny) nur auf rund 5.500 Filialen. Bei der Schwarz-Gruppe sind es 670 Kaufland- und 3.200 Lidl-Filialen. Der Discounter Aldi kommt hierzulande auf rund 4.200 Geschäfte.

Den privaten Kaufleuten innerhalb dieser Konzernstrukturen kommt eine immer größere Bedeutung zu. Laut der Internetseite supermarkt-inside. de gab es schon 2017 deutschlandweit über 6.000 von ihnen – allein 3.800 in der Edeka-Gruppe. Dort trugen sie zu diesem Zeitpunkt deutlich mehr als 50 Prozent zum Gesamtumsatz bei. In der Rewe-Gruppe waren es mehr als 30 Prozent.

Quelle: Junge Welt