Schüler im Streik: Zehntausende demonstrieren und prangern Todesfälle in »Welt der Arbeit und des Profits« an

Zum vierten Mal seit November sind am Freitag in über 40 Städten – von Turin und Mailand über Rom bis Bari und Palermo – Zehntausende Schüler von Gymnasien auf die Straße gegangen, um gegen die Misere an den Bildungseinrichtungen zu protestieren. Sie fordern die Abschaffung der »Pathways for Transversal Skills and Orientation« (eines Pflichtprogramms, das den Wechsel von der Schule zum Beruf unterstützen soll) und den Schutz des Lebens. Letzter Anlass war der Tod der in einem solchen Praktikum befindlichen Schüler Lorenzo Parelli (18) und Giuseppe Lenoci (16).

Bei Parelli, der von einem herabstürzenden 150 Kilo schweren Metallteil am Kopf getroffen wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Die Proteste wurden von den Gewerkschaften GIL, CISL und UIL und der Basisgewerkschaft USB unterstützt. Kommunisten, Linke wie die Partei Potere al Popolo (Die Macht dem Volke) solidarisierten sich mit den Schülern. Lorenzo Giusstolisi vom USB-Vorstand nannte den Tod der beiden jungen Menschen eine Folge ihrer »Einbeziehung in die Welt der Arbeit und des Profits«. In dieser Welt starben vom Januar bis Oktober 2021 mehr als 1.000 Menschen am Arbeitsplatz, durchschnittlich drei pro Tag. So viele waren es, wie die Zeitung Il Manifesto berichtete, auch am Vortag des Schülerstreiks: Es betraf einen Fischer, einen Arbeiter und einen Lastwagenfahrer. Das kommunistische Portal Contropiano hob hervor, dass Demonstranten vielerorts den Partito Democratico (PD) für die Misere an den Schulen mitverantwortlich machten.

In Turin, wo es in den vergangenen zwei Wochen mehr als 40 Schulbesetzungen gab, demonstrierten 4.000 Menschen zur Zentrale des Industriellenverbandes Confindustria. Auf Plakaten hieß es »Unser Leben ist nichts wert, nur dein Profit« oder »Im schlimmsten Fall stirbt man in diesem System der Ausbeutung, im besten Fall ist man lebenslang unsicher«. Die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, dass Militante des Askatasuna-Sozialzentrums Farbbeutel warfen und gewaltsam Einlass forderten. Bei Zusammenstößen mit einem Trupp Carabinieri seien sieben Polizisten verletzt worden. Ein Vertreter des Turiner AStA distanzierte sich von dem Vorgehen, und Innenministerin Luciana Lamorgese sprach den Polizisten »Solidarität und Dankbarkeit« aus.

In Mailand forderten Gymnasiasten auf der Piazza Cairoli die Abschaffung des Wechsels zwischen Schule und Arbeit, »der nur ein Wechsel zur Ausbeutung« sei. »Wir wollen ein anderes Schulmodell, mit Sicherheit am Arbeitsplatz«. In Rom, wo ebenfalls 50 Schulen besetzt wurden, forderte die Schülervereinigung Lupa die Rücknahme der schriftlichen Abiturprüfungen, weil diese »die tiefe psychologische und pädagogische Krise, die wir erleben, nicht berücksichtigen«.

Das Studentenkollektiv des Liceo Artistico Ss. Apostoli von Neapel verwies bei Protesten auf den Lehrermangel (es fehlen 120.000 Lehrer), demzufolge gebe es an ihrer Schule kein Lehrpersonal, das den Unterricht gewährleistet, der Stundenplan berücksichtige nicht das Privatleben der Schüler und ihre psychische Gesundheit. Und am Gymnasium Boggio Lera in Catania erklärten die aufgebrachten Schüler angesichts der Untätigkeit der Direktion, die Leitung in »Selbstverwaltung« zu übernehmen. An der Schule ist vor drei Monaten das Dach eingestürzt. Es wurde bisher nicht repariert.

Quelle: Junge Welt