Mehr als 24 Stunden befanden sich rund 25 Bauarbeiter im Streik, ehe sie am vergangenen Donnerstag kurz nach 13 Uhr die besetzten Kräne auf der Baustelle an der Dr.-Gessler-Straße wieder freigaben. Zuvor hatte der Bauträger, die F & B Grundbesitz Regensburg II GmbH mit Sitz in Weiden, einen Teil der ausstehenden Lohnforderungen überwiesen. Auf den Rest des Geldes warten die Arbeiter noch immer.
Vor rund 45 Jahren entstand dort oben in “Regensburg-Manhattan”, wie die Hochhaussiedlung in Königswiesen früher von manchen genannt wurde, das Nahversorgungszentrum Königswiesen Nord. 2013 kaufte die F & B Grundbesitz Regensburg II GmbH mit Sitz in Weiden das gesamte Areal an der Kreuzung Dr.-Gessler-Straße/Friedrich-Ebert-Straße. 2017 begannen dann die Abrissarbeiten. Mit dem Projekt “KönigsTOR” soll dort ein neues Quartierszentrum entstehen. Auf über 30.000 Quadratmetern Geschossfläche sollen bald Handels- und Dienstleister (ca. 7.000 Quadratmeter Fläche) und mehrere Hundert Wohnungen (ca. 23.600 Quadratmeter Fläche, davon 80 Prozent frei finanziert, 20 Prozent öffentlich gefördert) entstehen.
Doch auf der Baustelle gibt es immer wieder Schwierigkeiten. Im Jahr 2018 versuchten Anwohner mit mehreren Klagen den ihrer Meinung nach zu groß geratenen Bau zu verhindern. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München hatte Ende 2018 dann den Bebauungsplan „Nördlich der Dr.-Gessler-Straße und südlich der Friedrich-Ebert-Straße“ der Stadt Regensburg für unwirksam erklärt – ohne direkte Folgen für das Vorhaben. Nun sind es 25 ägyptische Bauarbeiter, die vergangene Woche zumindest einen Teil der Baustelle vorübergehend stillgelegt haben. Sie hatten seit 45 Tagen keinen Lohn mehr erhalten.
Ein undurchschaubares Netz
Doch von Anfang an: Es ist Mittwochfrüh als mehrere Arbeiter eines Subunternehmens mit Sitz in Bergamo in den Streik treten. Sie blockieren die Einfahrt zur Baustelle. Einige von ihnen besetzen zwei der Baukräne und klopfen immer wieder mit Hämmern gegen die Verstrebungen der Baumaschinen, um so auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich kontaktieren Anwohner die Polizei, die kurz darauf vor Ort eintrifft.
Zunächst ist noch unklar, worum es genau geht. Lediglich die Information, dass seit mehreren Wochen keine Löhne mehr bezahlt worden seien, dringt an die Öffentlichkeit. Erst im Laufe des Donnerstagvormittags wird klar: Der Streik richtet sich nicht gegen das eigene Unternehmen, bei dem die Bauarbeiter angestellt sind. Vielmehr scheint ein Netz aus mehreren Sub- und Sub-Sub-Unternehmen dafür verantwortlich zu sein, dass Gelder am Ende nicht mehr dort angekommen sind, wo sie hinsollten. Die Baufirma aus Bergamo erhielt den Auftrag von einer Firma aus Südtirol. Die wiederum ist selbst nicht vor Ort vertreten und fungiert lediglich als Zwischenstation. Man habe den Auftrag von einer Firma aus Deutschland erhalten und weitervermittelt, heißt es von dort.
„Das Subunternehmen aus Bergamo hat selber seit Wochen kein Geld mehr erhalten. Deshalb konnten dann auch die Löhne nicht mehr bezahlt werden“, erklärt Polizeisprecherin Karin Paul am Donnerstag vor Ort. Wo genau das Geld hängen geblieben sein soll, sei aber noch völlig unklar. Zu diesem Zeitpunkt sitzen die fünf Streikenden bereits seit über 24 Stunden in 55 Metern Höhe in den Kränen. Währenddessen wird auf der restlichen Baustelle weiter gearbeitet.
Solidarität auf der einen Seite, Unverständnis auf der anderen
Die dortigen Arbeiter sind bei einer anderen Firma angestellt und haben ihre ganz eigene Erklärung für den Streik. „Da geht es doch nicht um offene Rechnungen“, sagt einer von ihnen, als er von einer Frau angesprochen wird. „Das sind alles falsche Leute da drüben.“ Woran er das fest macht, erklärt er allerdings nicht und sagt lediglich: „Wir bekommen hier mehr mit, als das was die Presse berichtet.“ Dann geht er weg. Es ist Mittagspause.
Dem Streikaufruf einiger Demonstranten, die sich mit den ägyptischen Bauarbeitern solidarisieren und direkt gegenüber der Baustelle positioniert haben, können er und seine Kollegen nur wenig abgewinnen. „Mir geht es gut”, sagt einer von ihnen mit einer abtuenden Handbewegung. Die Demonstranten trommeln davon unbeirrt weiter und fordern die vollständige Arbeitsniederlegung. „Nur gemeinsam sind wir stark”, lautet eine der Aussagen.
Seit 45 Tagen ohne Lohn
Den Streikenden geht es bei der ganzen Sache vor allem um Persönliches. „Viele von uns haben Familien und seit 45 Tagen keinen einzigen Euro mehr bekommen“, erklärt ein Mann auf Englisch. Weder Wasser und Essen noch ein Zugticket nach Hause könnten sie sich leisten. Unterstützung bekommen sie durch einige Personen aus dem angrenzenden Wohnheim. „Wir haben Wasser und Kaffee von ein paar jungen Leuten bekommen“, sagt der Mann dankbar. Die Polizei hingegen ist in seinen Augen zu lasch. „In Frankreich oder Italien hätte man schon längst hart durch gegriffen“, ist er sich sicher. Gegen wen die Polizei aus seiner Sicht hier vorgehen soll, bleibt unklar.
Überhaupt ist die Informationslage vor Ort sehr diffus und zwischen dem Bauherren Robert Bucher von F & B und den Streikenden herrscht eine durchweg angespannte Stimmung. „Bastardo“ und „Mafioso“ ruft ein Mann, der im Schatten eines Baumes sitzt, mehrfach gegen den Bauträger. Die Streikenden sehen den Fehler vor allem bei ihm. Die zuständigen Polizisten versuchen zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass am Ende nicht doch noch jemandem etwas passiert. „Ich stehe hier neutral zwischen den Seiten“, erklärt Paul etwas später auch Bucher, der seinerseits immer wieder mit strenger Miene auf die Bauarbeiter zugeht. „Wenn das Geld da ist, dann geht ihr da runter und beendet den Streik.“
Gewerkschaften schalten sich ein
Er habe mit den Männern hier „eigentlich überhaupt nichts zu tun“, versichert er. Schließlich seien die bei einer externen Firma angestellt. Warum das Geld nicht bei ihnen angekommen sei, das wisse auch er nicht. „Wir sind jetzt dennoch in Vorleistung gegangen und haben einen Teil der offenen Summe direkt an deren Chef überwiesen.“ Schließlich wolle man das ganze so schnell wie möglich beenden. Auch zum Schutz der Männer auf dem Kran, wie der Bauherr beteuert. Die Bestätigung über den Zahlungseingang zieht sich über den ganzen Vormittag. Und so steigen die Temperaturen allmählich auf über 30 Grad. Der Kran bietet dabei nur wenig Schatten. Kurz nach 13 Uhr kommt schließlich die positive Nachricht aus Bergamo. Der erste Teil der Summe ist überwiesen. Kurz darauf verlassen die Männer den Kran und beenden den Streik vorübergehend.
Mittlerweile hat die Gewerkschaft IG BAU und das Projekt „Faire Mobilität“ des DGB Kontakt zu den Bauarbeitern aufgenommen, um sie in arbeitsrechtlichen Fragen zu beraten. „Das ist ein Saustall und unterste Gürtellinie”, schimpft Petra Katens von der IG BAU Oberpfalz am Telefon. „Doch das sind leider keine Einzelfälle. In den Subunternehmensketten ist das immer wieder so, dass irgendwelche Unternehmen die Aufträge annehmen, weitervermitteln und dann entweder nicht zahlen wollen oder irgendwann nicht mehr können, weil ihnen selbst das Geld ausgeht.” Je weiter unten man in der Subkette sei, desto schlimmer werde es, kritisiert auch Katens Kollege Gerhard Citrich. Er geht von einer hohen Dunkelziffer auf deutschen Baustellen aus.
Geld lässt weiter auf sich warten
„Das fängt ja schon bei den Unterkünften und den Hygienebedingungen an”, erklärt er. Die seien schon vor Corona auf vielen Baustellen eine Katastrophe gewesen. Seit Wochen stellen er und seine Kollegen unzählige Missachtungen der aktuell geltenden Hygiene- und Gesundheitsregeln fest. „Abstand und Maske werden so gut wie nirgends eingehalten. Und auch Toiletten oder Waschbereiche sind katastrophal.” Auch auf der Baustelle in Königswiesen ist von Mundschutz und Abstand wenig zu sehen. Nichts zu sehen ist aber auch von dem noch ausstehenden Geld. Zwei Drittel hatte F & B am Donnerstag zunächst überwiesen und die restliche Summe zeitnah zugesichert. Wie die IG BAU Mittwochvormittag mitteilte, gäbe es noch keinen weiteren Zahlungseingang. Daher werde man vermutlich diesen Donnerstag vor der Baustelle eine Kundgebung abhalten.
Quelle: Regensburg Digital