TV-L Kampagne: Politisieren wir die Verhandlungen im Öffentlichen Dienst! Streik ist unsere Waffe gegen Kürzungen und Kriegstreiberei!

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer anhaltenden Krise, welche trotz der Senkung unserer Reallöhne, Kurzarbeit und einer der größten Entlassungswellen der letzten Jahre bisher nicht überwunden werden konnte. Zugleich ist spätestens seit der von Olaf Scholz verkündeten „Zeitenwende“ klar, dass Deutschland sich mitten in der Aufrüstung für einen neuen Krieg befindet.

Der Krieg in der Ukraine und der Völkermord in Gaza zeigen deutlich, dass die Zeit des liberalen Wettstreits vorbei ist und wir immer mehr in eine Phase der offenen Konfrontation übergehen. Das deutsche Kapital will sich aus der Abhängigkeit von China und den USA befreien und benutzt dabei immer mehr die EU als Steigbügel zum „Platz an der Sonne“ in der imperialistischen Weltordnung, der in der Vergangenheit so oft verwehrt wurde. Während Politiker:innen aktuell von Abschreckung durch Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit im Verteidigungsfall sprechen stellen sie gleichzeitig die Weichen für eine offensivere Eroberungspolitik mit der Deutschland wie vor dem ersten und zweiten Weltkrieg diesen „Platz an der Sonne“ erobern wollte, also eine möglichst gute wirtschaftliche und einflussreiche geostrategische Stellung für seine Monopolkonzerne.

Wessen Platz an der Sonne ist das?

Für uns als arbeitende Bevölkerung und speziell als Beschäftigte im öffentlichen Dienst stellt sich die Frage, welche Rolle wir in dieser weltbewegenden Zeit einnehmen. Wir sind heute schon damit konfrontiert, dass der deutsche Staat für seine Aufrüstungspläne bewusst unsere Gehälter kürzen, unsere Arbeitsplätze abbauen und unseren Lebensstandard senken will – ob in der Bildung, im Sozialen Bereich oder in der öffentlichen Verwaltung. Während der Arbeitsaufwand steigt, spüren wir tagtäglich, wie diese Arbeitslast auf immer weniger Schultern verteilt wird. Denn unsere Kolleg:innen werden entlassen, keine neuen Stellen geschaffen oder die Arbeit von zwei Stellen in einer konzentriert. In einem Staat der langfristig mit dem NATO 5% Ziel versucht, nahezu die Hälfte des aktuellen Bundeshaushalts für Aufrüstung, Militär und Kriegsinfrastruktur auszugeben, wissen wir bereits heute schon, dass es in diesem kapitalistischen Staat kein Platz an der Sonne für uns und unsere Klasse gibt.

„Herbst der Reformen oder Kürzungsmarathon?

In der deutschen Regierung besteht Einigkeit darüber, dass man wieder „kriegstüchtig“ werden müsse. Dafür hat sie mit Investitionspaketen und der Aufhebung der Schuldenbremse für Militärausgaben zu Beginn des Jahres einen Blankocheck für die Bundeswehr und die deutsche Rüstungsindustrie ausgestellt. Gleichzeitig kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bereits bei Regierungsantritt Einsparungen in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens an. Aussagen aus seiner Partei, wie die von Landkreistagspräsident Achim Brötel zeigen offen, dass es explizit um Einsparungen im sozialen Bereich gehen soll: Neue Schulden allein könnten nicht die Antwort sein, so Brötel. Es brauche deshalb besonders im Bereich der Sozialausgaben unbedingt auch den Mut und die Kraft zur „finanziellen Konsolidierung“. Mit „Konsolidierung“ ist hierbei nicht etwa eine Verbesserung gemeint, sondern dass am miserablen Zustand noch weiter gespart werden soll, um „die Wirtschaft“ zu stabilisieren, ihr Spielbrett also. Und das, damit sie in andere Bereiche wie das Militär oder die mit ihnen verbandelten Großkonzerne Milliarden an Steuergelder pumpen können. Es ist sicherlich kein Zufall, dass unter den Ministerien von Blackrock-Merz mehr Lobbyist:innen denn je gelandet sind.

Konkrete Maßnahmen ergriff die GroKo zuletzt im Rahmen eines umfassenden Reformpakets, welches auch als „Herbst der Reformen“ bezeichnet wurde. Während die SPD in Worten immer wieder betont an ihren sozialdemokratischen Werten festhalten zu wollen, ist davon in der Praxis wenig zu sehen:

  • Angefangen bei den schwächsten der Gesellschaft soll das Bürgergeld abgeschafft werden, und durch eine Grundsicherung für Arbeitssuchende ersetzt werden, welche nach Einschätzung einiger Sozialverbände nach aktuellem Entwurf nicht mal Verfassungskonform wäre. Kürzungen beim Bürgergeld dienen vor allem einer Sache: die Beschäftigten dazu zu drängen, niedrigere Löhne zu akzeptieren.
  • Das Rentenalter soll zwar nicht direkt erhöht werden, aber die finanzielle Not vieler Rentner:innen in Deutschland wird ausgenutzt, um sie in eine sogenannte Aktivrente zu zwingen. Die Rente mit 70 ist bereits im Gespräch.
  • Passend dazu wird inzwischen auch über eine Erhöhung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit diskutiert – also die de facto Abschaffung des 8h Tags.

Doch als seien diese Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht genug weiß Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) heute schon, dass es dabei nicht bleiben kann, sondern wir einen „Marathon der Reformen“ vor uns haben. Im Klartext heißt das: Die Kürzungen, Einsparungen und Angriffe auf unsere Arbeitsbedingungen und unseren Lebensstandard werden uns auch noch die nächsten Jahre begleiten.

Die Tarifrunde der Länder im Zeichen von Kürzungsmarathon und Aufrüstungswahn

Zwischen den ganzen Zahlenspielereien in den Haushaltsdebatten geht oft verloren, um was es genau geht: Zu einem großen Teil sollen die Kürzungen durch Einsparungen bei Personalkosten umgesetzt werden, egal ob durch Entlassungen und Stellenstreichungen oder durch die Senkung der Reallöhne.

Unter diesen Vorzeichen starten Anfang Dezember rund 1,1 Millionen Beschäftigte der Bundesländer (mit Ausnahme von Hessen) in die Tarifrunde der Länder, um einen neuen Tarifvertrag der Länder (TV-L) auszuhandeln. Am Verhandlungstisch wird die Gewerkschaft ver.di den Finanzministerien der Länder gegenüber sitzen. Neben den direkt beim Staat angestellten Lehrkräften, Krankenhausbeschäftigten, Erzieher:innen, Verwaltungsangestellten und Beschäftigten der Öffentlichen Versorgung sind viele weitere Betriebe und deren Beschäftigte an den TV-L „angelehnt“. Das bedeutet, dass für sie der Tarifvertrag nicht direkt gilt, sondern die Chefs die Inhalte des Tarifvertrags unverbindlich übernehmen oder in Form eines Haustarifvertrags festlegen können.

Tarifvertrag auch für studentische Beschäftigte!

Ganz ausgeschlossen vom Tarifvertrag sind studentische Beschäftigte an Universitäten und Hochschulen. Sie fallen im Gegensatz zu ihren Kolleg:innen nicht unter den TV-L, sondern landen in der Regel in prekären, schlecht bezahlten und befristeten Arbeitsverträgen ohne sich dagegen wehren zu können. Deshalb gibt es seit ein paar Jahren eine Bewegung für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TV-Stud), der in Berlin 2018 bereits erkämpft wurde. In der letzten Tarifrunde kamen die Verhandler:innen für die restlichen Länder jedoch erneut nicht über eine „schuldrechtliche Vereinbarung“ hinaus. Diese legt zwar gewisse Standards wie eine Mindestlaufzeit von Verträgen auf 1 Jahr fest, jedoch keine tarifliche Bindung. Daran wird erneut deutlich, wie der deutsche Staat gezielt die verwundbarsten Teile der Arbeiter:innenklasse mit Kürzungen und Einsparungen überzieht.

Die Tarifrunde der Länder zählt neben dem Tarifvertrag Öffentlicher Dienst für Bund und Kommunen (TVÖD) und der Tarifrunde Metall- und Elektro zu einer der bedeutendsten Tarifauseinandersetzungen in Deutschland mit einer hohen gesellschaftlichen Relevanz. Es geht letztendlich um die Organisation des öffentlichen Lebens in Deutschland: um die Qualität eines Krankenhausaufenthalts, der Forschung und Lehre an Universitäten, eines Kitaplatzes. Während der deutsche Staat hier in den kommenden Jahren bewusst Einsparen will, um seine Aufrüstungsphantasien umzusetzen, sind wir es als Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, die das ganze ausbaden sollen.

Die DGB Gewerkschaften zwischen kämpferischen Parolen und Sozialpartnerschaft

Reallohnverluste in der kommenden Tarifrunde sind vorprogrammiert, sollten wir es nicht schaffen, einen konsequenten Widerstand dagegen aufzubauen. In den letzten Jahren war die Haltung der DGB-Gewerkschaften viel zu zaghaft: Nach wenigen Warnstreiks kam es zu schnellen Einigungen, die zwar in absoluten Zahlen teilweise recht vernünftig klangen, auf die Zeit gesehen jedoch von der Inflation gefressen wurden und einen Reallohnverlust bedeuteten. Der Streit zwischen der Verdi und GEW untereinander zeigt uns, dass hier die Interessen der Arbeiter:innen an zweiter Stelle steht. Viel zu häufig scheint es sich mehr um die Positionierung und den Selbsterhalt der Gewerkschaften zu drehen, als um uns. Auch die Forderung für die kommende Tarifrunde ist von vornherein sehr niedrig angesetzt.

Wenig überraschend verkündete die Bundestarifkommission am 17. November ihre Forderung von 7% und mindestens 300€ – genau das, was sie in der vorangegangen innergewerkschaftlichen Umfrage zur Forderungsfindung schon als Empfehlung rausgegeben hatte. Selbst wenn diese Forderung vollumfänglich durchgesetzt werden würde, dann wäre gerade mal der Reallohnverlust der letzten Jahre aufgefangen. Für Aufsehen sorgte letzte Woche bereits ein Forderungskatalog der Verdibetriebsgruppe an der Freien Universität Berlin, in welchem neben einer 600€ Festgeldforderung und einer Laufzeitvereinheitlichung mit dem TVÖD zur Stärkung der gemeinsamen Kampfkraft auch eine antimilitaristische Haltung genannt wurde. Die Gewerkschaft, welche sonst auf ein demokratisches Image bedacht ist ließ den Beitrag kurzerhand löschen und die Website der Betriebsgruppe sperren. Während die Verdispitze, das mit einem möglichst demokratischen internen Diskurs begründet bleibt durch den Ablauf der Forderungsfindung und die Zensur der FU Betriebsgruppe fraglich ob dieser Diskurs auch wirklich erwünscht ist.

Bereits die letzten Tarifrunden im Öffentlichen Dienst haben gezeigt, dass sich die DGB-Gewerkschaften trotz hoher Inflation und sich verschärfender Arbeitsbelastung mit Reallohnverlusten zufrieden geben ohne wirklich konsequent gekämpft zu haben. Auch dieses mal können wir damit rechnen, dass Verdi und Co. Nach ein paar wenigen Warnstreiktagen und kämpferischen Floskeln, dann doch wieder ganz schnell in sozialpartnerschaftlicher Manier einlenken und uns Reallohnverluste und Kriegsvorbereitungen schmackhaft machen wollen.

Streik als Waffe für höhere Löhne und gegen Kürzungen, Sozialabbau und Aufrüstung – Für einen Marathon des Widerstands

Wir dürfen uns in der kommenden Tarifrunde nicht in den Rechenspielen zwischen Gewerkschaften und Staatsvertreter:innen verlieren, sondern müssen klar benennen, worum es geht: Nicht nur in dieser Tarifrunde, sondern seit der „Zeitenwende“ droht unserer Klasse ein „Marathon der Kürzungen“ zugunsten der Aufrüstung. Während sich die deutschen Konzerne neue Profite durch Kriege erhoffen, heißt das vor allem für uns Beschäftigte im Öffentlichen Dienst: schlechtere Löhne, höhere Arbeitsbelastung und längere Arbeitszeiten – so lange, bis wir selbst in die Schützengräben geschickt werden.

Das kann keine Perspektive für uns sein und deshalb müssen wir die kommende Tarifrunde und unser Recht auf Streik nutzen, um den Angriffen der Politik und der Kriegstreiberei etwas entgegen zu setzen. Lasst uns die kommenden Warnstreiks nutzen, nicht nur um über Prozente zu streiten, sondern auch Widerstand gegen die grundsätzliche Kürzungs- und Kriegspolitik des deutschen Staates aufzubauen! Wir dürfen dabei nicht an den ritualisierten Aktionen hängen bleiben, sondern müssen auf vielfältige Weise Druck aufbauen – sei es durch die Ausübung des Streikrechts durch angelehnte Beschäftigte, kreative Widerstand von Studierenden und studentisch Beschäftigte oder das konsequente Ausnutzen des deutschen Streikrechts in all seinen Facetten bis hin zu weiterführenden Aktionen wie unbefristeten und politischen Streiks.

Lasst uns die kommende Tarifrunde nutzen, um deutlich zu machen, dass unsere Waffe der Streik ist und wir nicht für die Kriege im Interesse der Bonzen buckeln werden. Politisieren wir die Tarifrunde und schaffen wir eine Grundlage für einen „Marathon des Widerstands“ gegen die Angriffe von Staat und Kapital!