Maskenpflicht für Beschäftigte, Präsenzveranstaltung oder Videokonferenz für Betriebsräte: Immer mehr arbeitsrechtliche Entscheidungen beschäftigen sich mit Fragen, die im Zusammenhang mit der Coronapandemie stehen. Hier findet ihr einige Urteile dazu in einem Überblcik von haufe.de.
Die Coronapandemie hat im Jahr 2020 auch für neue Themen im Arbeitsrecht gesorgt. In der Praxis mussten sich Arbeitsgerichte vermehrt mit Fragen auseinandersetzen, die im Zusammenhang mit Corona stehen. Das Arbeitsgericht Siegburg entschied kürzlich zur Maskenpflicht für Beschäftigte. Andere Entscheidungen befassten sich mit der Zulässigkeit der Überwachung von Corona-Abständen im Betrieb oder Änderungskündigungen zur Einführung von Kurzarbeit. Auch Fragen zum Recht auf Homeoffice von Beschäftigten haben in der Pandemie eine neue Bedeutung erlangt, wie dieser Überblick zeigt.
Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes
Was gilt, wenn der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vorlegt, um ohne Maske im Betrieb oder im Homeoffice beschäftigt zu werden, hatte das Arbeitsgericht Siegburg zu entscheiden. Das Gericht urteilte: Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nasenbedeckung während der Arbeitszeit anordnen. Einen Mitarbeiter, der dies verweigert, muss er nicht beschäftigen – auch nicht im Homeoffice. Pauschale Atteste, die von der Maskenpflicht befreien, muss der Arbeitgeber nicht akzeptieren. Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az: 4 Ga 18/20.
Das Arbeitsgericht Berlin hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ebenfalls eine Pflicht zum Tragen eines vom Arbeitgeber bereitgestellten Mund-Nasen-Schutzes bestätigt. Eine Flugsicherheitsassistentin verlangte bei ihrer Tätigkeit am Flughafen statt Mund-Nasen-Schutz einen Gesichtsschutzschirm zu tragen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Den Arbeitgeber treffe die Pflicht, die Beschäftigten und das Publikum am Flughafen vor Infektionen zu schützen. Ein Gesichtsvisier sei für den Schutz Dritter weniger geeignet als der vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz. Dass ihr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, habe die Arbeitnehmerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15. Oktober 2020, Aktenzeichen 42 Ga 13034/20
Recht auf Homeoffice oder Einzelbüro wegen Corona
Ein Arbeitnehmer, der wegen des Risikos einer Corona-Infektion forderte, im Homeoffice oder in einem Einzelbüro arbeiten zu dürfen, hatte vor dem Arbeitsgericht Augsburg ebenfalls keinen Erfolg. Solange der Arbeitgeber den Gesundheitsschutz im Büro durch Corona-Schutzmaßnahmen sicherstellt, ist er zu beidem nicht verpflichtet, entschied das Gericht. Arbeitsgericht Augsburg, Urteil vom 7. Mai 2020, Az: 3 Ga 9/20.
Auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice besteht, kann nach Meinung des Arbeitsgerichts Berlin die mögliche Arbeit von zu Hause aus – bei vorhandenen technischen Voraussetzungen – einer Änderungskündigung zur Zuweisung an einen anderen Arbeitsort entgegenstehen. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Homeoffice aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zu Hause aus möglich sei. Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 10. August 2020, Aktenzeichen 19 Ca 13189/19.
Präsenzveranstaltungen des Betriebsrats während der Coronapandemie
Das LAG Hamm entschied, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht verpflichten kann, eine Betriebsversammlung virtuell durchzuführen, wenn dieser sich im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten entscheidet, eine Präsenzveranstaltung durchzuführen. Für die Kosten der Veranstaltungsräume, die der Betriebsrat angemietet hat, um die Betriebsversammlungen coronagerecht durchzuführen, muss der Arbeitgeber aufkommen. LAG Hamm, Beschluss vom 5. Oktober 2020; Az: 13 TaBVGa 16/20.
Auch das LAG Berlin entschied zur Frage “Präsenzveranstaltung oder virtuelle Sitzung”, dass dem Betriebsrat eine Präsenzveranstaltung zur Durchführung einer geheimen Wahl zu ermöglichen sei. Eine generelle Erlaubnis von Präsenzsitzungen lehnte das Gericht jedoch ab. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. August 2020, 12 TaBVGa 1015/20.
Videoüberwachung von Corona-Schutzvorschriften
Eine Videoüberwachung im Betrieb ist nur in engen rechtlichen Grenzen zulässig – auch wenn sie zur Kontrolle der Einhaltung von Corona-Schutzvorschriften erfolgt. Das Arbeitsgericht Wesel gab dem Unterlassungsantrag eines Betriebsrats wegen fehlender Beteiligung teilweise statt. Arbeitsgericht Wesel, Beschluss vom 24. April 2020, Az: 2 BVGa 4/20.
Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit in der Coronakrise
Das Arbeitsgericht Stuttgart hat mit einem Urteil die fristlose Änderungskündigung einer Arbeitnehmerin für rechtswirksam erklärt. Trotz eines coronabedingten erheblichen Arbeitsausfalls des Arbeitgebers und bereits bewilligtem Kurzarbeitergeld hatte die Mitarbeiterin eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit nicht unterzeichnen wollen. Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 22. Oktober 2020, Az: 11 Ca 2950/20.
Betriebsbedingte Kündigungen in der Coronapandemie
Das Arbeitsgericht Berlin hat in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass allein ein Hinweis auf “Corona” oder auf einen pandemiebedingten Umsatzrückgang nicht ausreicht, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 5. November 2020, Aktenzeichen 38 Ca 4569/20.
Die Erklärung, es habe einen starken Umsatzrückgang gegeben und man habe nicht anders auf denselben reagieren können, als eine Anzahl von Kündigungen auszusprechen, ist keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Arbeitsgericht Berlin, Urteile vom 25. August 2020, Aktenzeichen 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20.
Betriebsschließung wegen fehlender Corona-Schutzmaßnahmen
Der Betriebsrat darf bei einer fehlenden Vereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung keine Betriebsschließung verlangen. Der Erlass des BMAS ist keine Maßnahme des Gesundheitsschutzes, entschied das Arbeitsgericht Hamm. Arbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 4. Mai 2020, Az: 2 BVGa 2/20.
Beteiligung des Betriebsrats bei Rückkehr der Mitarbeiter nach Lockdown
Nach dem ersten Lockdown wollten Arbeitgeber ihre Beschäftigten schnell wieder in die Betriebe holen. Bei der Wiedereröffnung müssen sie jedoch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beim Arbeitsschutz, bei der Erstellung der Dienstpläne und bei der Kurzarbeit beachten. Wie weit diese reichen, hatte das Arbeitsgericht Neumünster zu beurteilen. Arbeitsgericht Neumünster, Beschluss vom 28. April 2020 4 BVGa 3a/20