Arbeitskampf bei Schaeffler: Hunderte protestieren in Herzogenaurach und Höchstadt

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Särge, Kreuze, eine Belegschaft in relativer Schockstarre und Gewerkschafter im Kampfmodus: Die vom Autozulieferer Schaeffler angepeilte Streichung von rund 4400 Arbeitsplätzen in Verbindung mit drohenden Standortschließungen sorgt in der Region für spürbare Verwerfungen.

Am Mittwoch hat die IG Metall in Herzogenaurach und Höchstadt den Startschuss zu einem Arbeitskampf gegeben, der sich über einen längeren Zeitraum ziehen könnte.

Wie berichtet, plant die Schaeffler-Gruppe, börsennotierter deutscher Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie, hierzulande 4400 Stellen abzubauen. Neben anderen Standorten sind davon die Konzernzentrale in Herzogenaurach und das Werk in Höchstadt betroffen. Beide waren am Mittwoch Schauplatz erster Demonstrationen von Werksangehörigen, die für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen wollen und dabei nicht nur von Gewerkschaftsseite Unterstützung bekommen.

1211 Kreuze wurden in Herzogenaurach auf die Stichstraße gesprüht, die zu den Parkplätzen und zum Schaeffler-Firmenparkhaus führt. Je ein Kreuz auf der Industriestraße in Sichtweite der Chefetage für jede Stelle, die in Gefahr ist.

Hintergrund sind weitreichende Umstrukturierungspläne des weltweit agierenden Schaeffler-Konzerns, der unter anderem den Sparzwang im Zuge der Corona-Krise angibt, um die Notwendigkeit der Einschnitte zu rechtfertigen. In Höchstadt sollen laut Angabe von Martin Feder, Geschäftsführer der IG Metall Bamberg, „mehr als 450 Stellen wegfallen“. Zudem soll die bislang in Höchstadt angesiedelte Industriesparte komplett ausgegliedert werden – was das Ende einer 68-jährigen Tradition bedeuten würde.

Sowohl in Herzogenaurach als auch in Höchstadt wurden bei den Demonstrationen Särge getragen, in Herzogenaurach unter den Klängen des Chopin-„Trauermarschs“, in Höchstadt im Rhythmus von Ölfass-Sambatrommeln. Als Warnung, denn „wann die Arbeitsplätze zu Grabe getragen werden, bestimmen wir“, betonte der Höchstadter Betriebsratsvorsitzende Roland Holler. Grigore Beutura und Andrea Grimm, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in Herzogenaurach, unterstellen der Schaeffler-Geschäftsleitung, unter dem Deckmantel der Pandemie Profitmaximierung betreiben zu wollen – die Rendite der Anteilseigner stehe im Vordergrund, nicht die Schicksale der Menschen, die bei Schaeffler in Lohn und Brot stehen. Ein Standpunkt, den Roland Holler teilt.

Gefährliche Entwicklung

Als überaus gefährliche Entwicklung werden von Betriebsrat und Gewerkschaft geplante Kürzungen bei den Azubis gesehen. „Finger weg von der beruflichen Erstausbildung“, warnt Roland Holler. Wer hier die Sparschraube zudrehe, der setze die Zukunft des Konzerns aufs Spiel, weil es dann bald am dringend benötigten Nachwuchs fehle. Überhaupt dominiert bei Holler und seinen Kollegen die Skepsis: „Wenn sie uns die Industriesparte wegnehmen, ist der Standort Höchstadt in ein paar Jahren dicht“, fürchtet Roland Holler.

Sophie Block spricht in Herzogenaurach als Vertreterin der Jugend für ihre zahlreichen jungen Kolleginnen und Kollegen, denen der Konzernumbau ein Stück weit die Perspektive raube. Was früher  selbstverständlich gewesen sei – die Übernahme der Auszubildenden –, sei nun auch mit Fragezeichen zu sehen.

In Höchstadt solidarisierte sich die Politik sehr deutlich mit den Firmenangehörigen. Landrat Alexander Tritthart sagte ihnen und ihren Familien seine Unterstützung zu, Höchstadts Bürgermeister Gerald Brehm machte darauf aufmerksam, dass ganz viele Bewohner des Landkreises ERH Verwandte, Freunde oder Bekannte haben, die bei Schaeffler arbeiten. „In der Wirtschaftskrise vor ein paar Jahren gingen wir auf die Straße und riefen ,Wir sind Schaeffler’“, so Brehm hörbar nachdenklich. Das Familienunternehmen müsse daran erinnert werden, dass hinter den Geschäftszahlen Menschen stünden, über deren Schicksale nicht der Rotstift entscheiden dürfe. Die Betriebsräte sagten einen langwierigen Arbeitskampf voraus.

Quelle: nordbayern.de