CGT: Kriminalisierung der Gewerkschaft bei Thyssen-Krupp

In Frankreich wehrt sich die CGT gegen Mobbing und Diskriminierung durch Thyssen-Krupp

Wer ist nicht schon mit einem Aufzug von Thyssen-Krupp gefahren? Der angeschlagene Stahl- und Industriekonzern hatte seine lukrative Aufzugsparte im Februar für 17,2 Milliarden Euro an ein Konsortium der beiden Finanzinvestoren Advent International und Cinven sowie der RAG-Stiftung verkauft. Es ginge darum, »Schulden abzubauen und den Umbau des Unternehmens zu finanzieren«, schrieb die Wirtschaftswoche am 27. Februar. Die Frage ist, ob das weltweit viertgrößte Aufzugsunternehmen in Zukunft weiterhin an 1.000 Standorten vertreten sein wird.

In Frankreich gibt Thyssen-Krupp Ascenseurs, wie die Aufzugsparte dort heißt, schon einen Vorgeschmack auf die Zeit nach Covid-19 und holt den Hammer heraus, um sich die aktivsten Gewerkschafter zu greifen. Selbst die Tageszeitung La Marseillaise berichtete am Dienstag: »Verfolgt wegen übler Nachrede und von Entlassung bedroht«. Diesmal traf es Olivier Clément von der Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT), den der Aufzugbauer in Toulon vor Gericht zerren ließ. Einzig dafür, dass der Gewerkschafter während der Periode des in Frankreich rigoros praktizierten »Lockdowns« ein CGT-Flugblatt verteilt hatte, in dem die Arbeitsbedingungen angeprangert und die Beschäftigten auf ihre Rechte während der Pandemie hingewiesen wurden.

Die CGT hat im Gegenzug beschlossen, Thyssen-Krupp Ascenseurs wegen Managermobbing – in Frankreich ein Straftatbestand, seit France Telecom im Gefolge der Privatisierung Mitarbeiter in den Selbstmord getrieben hatte – und Diskriminierung der Gewerkschaft anzuzeigen. Das Gericht in Toulon wird am 5. Januar entscheiden.

»Seit zwei bis drei Jahren gibt es eine von den Thyssen-Krupp-Chefs organisierte Hexenjagd«, so Gewerkschaftsvertreter Ludovic Le Maire laut La Marseillaise. Den Chefs mangele es an Courage, denn sie hätten ihre Attacken gegen die Gewerkschaft richten müssen, nicht gegen Clément. Alain Aparis von der CGT Region Marseille erinnerte daran, dass »zahlreiche militante Gewerkschafter in ihren Unternehmen Schikanen und Sanktionen erleiden. Wir befinden uns im Zustand eines sozialen Krieges«.

Um nur ein Beispiel aus vielen herauszugreifen: Der Betreiber der lukrativen Autobahnen in Frankreich, Vinci Autoroute, hatte den Generalsekretär der CGT im Departement Var, Olivier Masini, und Pascal Brun von der Gewerkschaft »Solidaires« angezeigt, weil sie an den Mautstellen Flugblätter verteilt und die Autofahrer durchgewinkt hätten. Das Gericht von Toulon stellte nach Straßenprotesten das Verfahren ein, wie La Marseillaise am 8. September berichtet hatte.

Denn nicht nur im Gerichtsgebäude von Toulon, sondern auch in Unternehmen demonstrieren Kolleginnen und Kollegen ihre Solidarität. Ein weiteres Beispiel, von dem die Zeitung L’Humanité am 31. Juli berichtet hatte: Im Kaufhaus Primark in Creteil (Region Paris) wirbelte ein »Flashmob« von vierzig »CGTistes«, wie die aktiven Gewerkschafterinnen genannt werden, überraschend durch die Stockwerke, sie sangen und schrien: »Jenen, die unsere Cathy entlassen wollen – antworten wir Widerstand«. Ihr Zorn war auch dadurch entfacht worden, dass in Toulon und Marseille Kollegen mit Entlassung bedroht wurden. Und ihr Kampf wird weitergehen. Die Gewerkschaft organisiert – inspiriert von der Tour de France – durch ganz Frankreich einen »Marsch für Arbeit und Würde«, der am 29. September Marseille erreicht, über Avignon und Montauban nach ­Lyon führt und über Bourges, Orléans dann am 17. Oktober Paris überfluten soll.

Quelle: Junge Welt