Positionspapier: Was fordern wir als LKW-Fahrer:innen?

Was der Mangel an LKW-Fahrer:innen für eine Gesellschaft bedeuten kann, konnte man Ende 2021 in Großbritannien sehen. Um weiterhin Benzin an den Zapfsäulen zu haben, wurden Soldat:innen als LKW-Fahrer:innen eingesetzt. Bis zu 100.000 LKW-Fahrer:innen fehlen derzeit auch in Deutschland. Ein wichtiger Grund dafür: geringes Geld für sehr harte Arbeit. Das muss sich ändern!

LKW-fahren – für viele ist das ein Beruf mit Leidenschaft. Doch es gibt viel zu tun, um die Situation grundlegend zu verbessern. Viele Punkte haben die Kolleg:innen der Kraftfahrerkreise bereits richtig in ihrem Positionspapier 2021 aufgeschrieben. Wir wollen hiermit unsere wichtigsten Forderungen als LKW-Fahrer:innen des Kollektivs Betriebskampf nochmal knapp dazu darlegen:

  • Europaweiter Mindestlohn!
    Bei der Bezahlung liegen wir Fahrer:innen noch immer im unteren Segment. Das liegt auch daran, dass massiv Lohndumping betrieben wird. Es werden systematisch Menschen aus Osteuropa oder mittlerweile auch den Philippinen angeworben, die über Wochen von ihrer Familie getrennt sind, während sie Tausende Tonnen an Gütern verschieben. Doch meist verdienen die viel weniger als die deutschen Kolleg:innen. Die wirkungsvollste Maßnahme dagegen wäre ein einheitlicher Mindestlohn europaweit. In Deutschland muss das wieder in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag geregelt werden.
  • Verringerung der Arbeitsintensität! Respektvolle Arbeitsumgebung!
    Stress ist Standard in unserem Job. Wir sollen immer mehr in immer kürzerer Zeit transportieren, und dann werden wir dabei auch noch kleinteilig mit Trackern überwacht. Das Geht auf Kosten der Verkehrssicherheit und unserer Gesundheit. Wir brauchen eine Verringerung der Arbeitsintensität! Zugleich müssen natürlich die Bereitschaftszeiten zur Arbeitszeit zählen.
    Gerade für Fernfahrer:innen braucht es eine Verbesserung der Situation auf den Raststätten: Sie müssen ein Ort sein, wo wir uns als Kolleg:innen regenerieren können! Kostenlose Toiletten und Duschen müssen Standard sein, ebenso wie eine gute ÖPNV-Anbindung um in die Stadt fahren zu können.
  • Grundlegend andere Verkehrspolitik!
    Als LKW-Fahrer:innen ist uns eine intakte Umwelt sehr wichtig! Doch noch immer wird beim Transport von Wahren sehr viel auf CO2-Schleudern gesetzt anstatt auf die Schiene. In Zukunft müssen in Industriegebieten oder Güterverteilzentren der Bau von Gleichanschlüssen verpflichtend sein! Zugleich brauchen wir auch mehr LKW-Stellplätze in Gewerbegebieten, um uns die stundenlange Parkplatzsuche zu sparen. Um die Innenstädte zu entlasten braucht es zudem einen besseren Bau von Umgehungsstraßen.

In der Gesellschaft wird die wichtige Rolle von uns LKW-Fahrer:innen oft zu wenig gesehen und wir werden stattdessen mit Klischees, viel Lärm oder aber mit schweren Unfällen in Verbindung gebracht.

Zum einen sagen wir als LKW-Fahrer:innen dazu klar: Wir fahren respektvoll, für uns steht das Menschenleben vor der Ware und für uns ist jegliche Ablenkung (Alkohol, Handy etc.) am Steuer tabu. Das tragen wir auch an all unsere Kolleg:innen heran. Verstärke Kontrollen oder mehr Polizei, wie es zum Teil gefordert wird, helfen uns dabei aber nicht weiter. Es gibt aber eine Reihe an Maßnahmen, die uns unterstützen können: professionelle Abbiegeassistenten verpflichtend in all unseren LKW’s; Besserer Lärmschutz an den Autobahnen; Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Unterstützungsangebote bei Belastungen für jede:n Fahrer:in.

2021 kamen 70 LKW-Fahrer:innen bei Unfällen am Stauende ums Leben in Deutschland. Ursache hierfür ist neben Übermüdung und Stress auch die hohe Verkehrsdichte, wodurch es eben auch immer wieder zu gefährlichen Stockungen kommt. Jeder Kollege, jede Kollegin kennt das mulmige Gefühl am Stauende. Der Vordermann wirft den Anker, man selber bremst auch und dann erfolgt der bange Blick in den Spiegel – hat der LKW hinter mir die Situation erkannt? Denn wir wissen alle miteinander was passiert, wenn mehrere 40-Tonner am Stauende aufeinander knallen.

Immer wenn einer von uns am Stauende verstirbt, kommt die Frage auf, wer stoppt diesen Wahnsinn? Antwort: nur Wir! Das die Polizei nicht an unserer Seite steht, zeigen u.a. die völlig überzogenen Kontrollen wegen der Zusatzbeleuchtung. Da gab es Fälle, wo die Polizei Kolleg:innen von uns angedroht hat, „entweder du kommst mit zum TÜV oder die Betriebserlaubnis erlischt und die Plakette wird abgekratzt“. Dabei haben die angeblich nicht genug Personal, um genug Schwerlastkontrollen durchzuführen.

Doch wie können wir als LKW-Fahrerinnen und LKW-Fahrer für mehr Verkehrssicherheit sorgen? Ein Beispiel: bei einer Spedition mit 20 LKWs stellt ein Fahrer bei der Abfahrtskontrolle fest, dass zwei Reifen am seinem Auflieger abgefahren sind. Der Chef sagt: „fahr trotzdem!“ Und jetzt kommt es auf unseren Zusammenhalt an. Jetzt müssen wir sagen: solange die zwei Reifen bei dem Kollegen nicht gewechselt sind, bewegt sich hier überhaupt nichts. Der Chef hat keine Wahl, er muss reagieren und sich darum kümmern, dass der Auflieger zwei neue Reifen bekommt. Gleiches gilt für den Zeitdruck bzw. Termindruck. Der Chef sagt: „du musst um 14 Uhr in Ludwigsburg sein“. Dann sagen wir als organisierte Kolleg:innen: „Wir sind da, wenn wir da sind!“.

All unsere Forderungen sind kein Hexenwerk. Wir tragen täglich dazu bei, dass Milliardenprofite erwirtschaftet werden, doch diese landen vor allem in den Taschen der (Groß-)Spediteure und letztlich der Unternehmensbosse deren Waren wir transportieren oder für die wir unsere Dienstleistungen erbringen. Eine Verbesserung unserer Situation ist lange überfällig und möglich – gerade im Anbetracht der Preisexplosion brauchen wir dringend höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

Wir sitzen an einem zentralen Hebel der Produktion und jede:r Kolleg:in weiß, wie schnell wir nur mit einem halben Tag Bummeln oder sogar einer Arbeitsniederlegung wichtige Teile des Landes lahmlegen könnten. Das haben unsere Kolleg:innen in Frankreich gerade erst gezeigt. Was die haben, was uns fehlt? Der organisierte Zusammenschluss als LKW-Fahrerinnen und Fahrer.