Coca Cola: Brauseriese dreht Hahn ab

Coca-Cola will Standort mit Abfüllstation im hessischen Liederbach dichtmachen. Beschäftigte und Gewerkschaft NGG protestieren gegen Schließungsdrohung

Anfangs waren sie betroffen, jetzt sind sie aufgebracht: Die Beschäftigten beim Coca-Cola-Standort Liederbach im hessischen Taunus protestierten am Freitag nach der Betriebsversammlung direkt vor dem Werkstor. Dazu hatten sie allen Grund: Der Betrieb soll nach Konzernangaben bis zum kommenden Herbst abgewickelt werden. Mehr als 260 Kolleginnen und Kollegen würden dort ihren Job verlieren.

Die Erfahrung mit Coca-Cola lehrt vor allem eines: »Wenn die Konzernspitze eine Standortschließung angekündigt hat, hat sie diese auch immer durchgedrückt«, sagte Hendrik Hallier, zuständiger Sekretär der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), am Freitag gegenüber jW. Seit Jahren schon schließe der Hersteller der braunen Brause Standort um Standort, ärgerte sich der Betriebsratsvorsitzende Imdat Erkan gleichentags im Gespräch mit dieser Zeitung.

Seit 1929 stellt Coca-Cola in Deutschland seine Muntermacher aus der Flasche her. Pro Jahr setzt das Unternehmen hierzulande etwa 3,8 Milliarden Liter Getränke ab. 2010 waren beim deutschen Ableger des Konzerns noch 12.000 Menschen beschäftigt, fünf Jahre später 9.000. Aktuell arbeiten nur noch rund 7.500 Beschäftigte an 29 Standorten für den Getränkeproduzenten.

Etikettenschwindel

Öffentlich zeigt sich der Konzern betrübt. Coca-Cola verlasse Liederbach »schweren Herzens«, sagte Unternehmenssprecher Steffen Türk kürzlich gegenüber der Frankfurter Rundschau. Neben der Konzernstrategie, die Produktion künftig an weniger Standorten zu bündeln, nennt Türk fehlende Expansionsmöglichkeiten in der Taunus-Gemeinde als Grund für die Werksschließung. »Liederbach war für uns schon immer eine Herausforderung. Viel Lkw-Verkehr in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet« – das sei sehr schwierig. Ganz aus dem Rhein-Main-Gebiet will sich Coca-Cola indes nicht zurückziehen. »Wir suchen für unsere Logistikaktivitäten einen neuen Standort im Großraum Frankfurt«, kündigte Türk an. 63 neue Arbeitsplätze sollen ersatzweise entstehen.

Erkan stört folgendes: »Regional produziert und getrunken« stehe auf großen Lettern auf den Lkw, die die Werksschranke täglich passieren. Eine Art Etikettenschwindel sei das, wenn immer mehr örtlich verankerte Betriebe dichtgemacht werden. »Coca-Cola gibt sich gerne klimafreundlich, sozial bewusst und kommunal verankert«, so der Betriebsratsvorsitzende. Aber wenn es darauf ankomme, fehle selbst ein verantwortungsvoller Umgang gegenüber den eigenen Beschäftigten. »Ohne wirtschaftliche Not Menschen einfach vor die Tür zu setzen und gut laufende Standorte wie den unseren zu schließen, werden wir nicht akzeptieren«, betont Erkan.

Die Kontroverse um die Coke-Station in der hessischen Provinz hat auch einige Landespolitiker auf den Plan gerufen: »Dass ein profitables Unternehmen wie Coca-Cola rund 260 Arbeitsplätze in Liederbach streichen will, ebenso wie 46 Arbeitsplätze in Bad Soden und 84 im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr, ist skandalös«, sagte der Landesvorsitzenden von die Linke und stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Jan Schalauske, am Freitag auf jW-Anfrage – kurzum: Das sei pure Profitmaximierung. Verständnis für den Konzernbeschluss bringt hingegen der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Hofmann auf. Dieser sei zwar »für die Mitarbeiter sehr tragisch«, so der Fraktionssprecher für Mittelstand und Kommunales am Freitag gegenüber jW, aber auch Anwohner hätten sich gegen den Ausbau des Werkes gestemmt.

In den nächsten Wochen dürfte es Schlag auf Schlag gehen. Am Montag steht Erkan zufolge bereits der »erste Gedankenaustausch« zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung an. Der Betriebsrat müsse erst einmal sondieren, so Erkan. »Wir wollen wissen, was Coca-Cola konkret in welchem Zeitraum mit unserem Betrieb vor hat.« Vorher könne auch nicht bestimmt werden, welche Verhandlungsspielräume es beim Sozialplan und Interessenausgleich geben könnte. Der Konzern bestätigte am Freitag auf jW-Nachfrage unmittelbar anstehende »Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern zur Umsetzung der Schließung gemäß des Tarifvertrags.«

Rabatz machen

Parlamentarier Schalauske will solidarisch an der Seite der Beschäftigten stehen. Coca-Cola solle nicht vergessen, dass es ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien, die die »Werte« schaffen, »auf denen der Erfolg des Konzerns basiert«. Die Coronakrise dürfe nicht als Vorwand dienen, um durch Betriebsdemontagen Bilanzgewinne eines Weltkonzerns zu steigern.

Die Aktion vor dem Werkstor sei ein »lockerer Aufschlag« gewesen, so Gewerkschafter Hallier. Wenn es hart auf hart kommen sollte, sei er zuversichtlich: »Die Belegschaft ist streikerprobt, bei Tarifkonflikten kam es regelmäßig zu Arbeitskämpfen«. Dann stünden die Förderbänder der Abfüllstation auch still. Hallier stellt klar: Die NGG werde keinen Protest von außen anleiern – aber: »Wenn unsere Kolleginnen und Kollegen Rabatz machen wollen, dann ziehen wir das gemeinsam durch«.

Quelle: Junge Welt