GDL-Tarifabschluss: Sozialpartnerschaftlicher „Interessenausgleich“ statt Ausweitung des Streiks

Wohl keine Tarifverhandlung mit Warnstreiks hat regelmäßig so direkte Auswirkungen auf das Leben von Millionen Menschen in Deutschland wie die der „Gewerkschaft der Lokomotievführer“. Die verhältnismäßig kleine und kämpferische Gewerkschaft muss sich bei ihren Arbeitskämpfen immer wieder gegen eine Einheitsfront von Bahn, Medien, Bundesregierung und DGB durchsetzen. Mit ihrem christlich-konservativen Vorsitzenden ist sie damit deutlich erfolgreicher als viele andere gelbe Gewerkschaften in Deutschland.

In den vergangenen Tarifkämpfen und auch in dieser Tarifrunde hat die GDL immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie auch gegen die größte Medienhetze ihre Mitglieder zu erfolgreichen Streikkämpfen mobilisieren kann und ihre Tarifabschlüsse meist deutlich über denen der Konkurrenzgewerkschaft EVG liegen.

Gleichzeitig zeigen auch die jetzt ausgehandelten Ergebnisse die engen Grenzen in denen sich die GDL und insbesondere ihr Funktionärsstamm bewegt. Auch ihre Forderungen waren von Anfang so gering, dass sie wenn überhaupt nur einen Inflationsausgleich bedeutet hätten. Trotz alledem zeigte der Streik doch in Ansätzen wiedereinmal was auch in Deutschland möglich ist, wenn Arbeiter:innen für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen streiken.

Die Betriebsrente ist sicher!?

„Die Rente ist sicher!“ verkündete die GDL heute stolz in ihrer Pressemitteilung zu den Ergebnissen der Tarifeinigung. Tatsächlich setzt die nun getroffene Einigung mit der Bahn den zuvor gekündigten Zusatzversorgungstarifvertrag wieder in Kraft. Dies ist ein Erfolg des Streiks, keine Frage. Allerdings gilt dieser nur für alle Eisenbahner:innen die bis zum 31. Dezember 2021 eingestellt sind oder werden. Für alle neuen Verträge nach diesem Stichtag gelten deutlich schlechtere Konditionen. Dieser Erfolg hat also einen faden Beigeschmack.

Verhandelte Reallohnverluste und Corona-Beihilfe

Der Abschluss beinhaltet zudem einen Anstieg der Entgelte um insgesamt 3,3 Prozent. Diese werden jedoch gestaffelt: Ab Dezember 2021 gibt es 1,5 Prozent mehr und ab März 2023 weitere 1,8 Prozent. Der Tarifvertrag ist von März 2021 bis Oktober 2023, also ganze 32 Monate gültig. Hinzu kommt zum 1. Dezember 2021 eine Corona-Beihilfe zwischen 400 und 600 Euro und eine weitere im März 2022 von 400 Euro.

Die Staffelung der Lohnerhöhungen und die extrem lange Laufzeit des Tarifvertrags sorgen dafür, dass gerade bei der aktuell stark steigenden Inflation der Tarifabschluss nicht mal eine Nullrunde für die Kolleg:innen bei der Deutschen Bahn sein werden, sondern wohl ein satter Reallohnverlust. Die GDL bezeichnet den Abschluss aufgrund der „wirtschaftlich angespannten Situation“ der Bahn als „angemessen“. Das ist Augenwischerei! Angemessen wäre die Streichung der Boni und gigantischen Gehälter für die Vorstände und Manager:innen und die Auszahlung dieser Millionensummen an die Beschäftigten!

Dimensionen eines politischen Streiks

Egal wie oft GDL-Boss Claus Weselsky es auch dementierte, der Streik hatte die Dimension eines politischen Streiks. Warum? Weil er sich einerseits direkt gegen das reaktionäre Tarifeinheitsgesetz (TEG) richtete und andererseits weil der Streik insbesondere dadurch politisch wurde, dass er keine rein ökonomische Auseinandersetzung in einem Betrieb blieb, sondern zu einem gesellschaftlichen Thema wurde. So machten die Herrschenden alles gegen den Streik mobil was sie zu bieten hatten. Die kollektive Hetze von Bahnvorstand, Bundesregierung, Medien und DGB-Gewerkschaften sollte eine so feindliche gesellschaftliche Stimmung erzeugen, dass der Streik zu bedeutend schlechteren Bedingungen abgebrochen bzw. in den Verhandlungen größere Zugeständnisse gemacht werden müssten. Dieser Generalangriff war sicher nicht ganz ohne Erfolg.

Ein noch viel größerer Erfolg für die Bahn bzw. eine Niederlage für die GDL ist die erstmalige Anwendung des Tarifeinheitsgesetz und damit die Beschränkung der Anwendung des Tarifvertrags auf einen Bruchteil der Bahn-Betriebe. So erklärte sich die GDL bereit, nun in 71 Betrieben der Bahn festzustellen zu lassen, ob sie oder die konkurrierende EVG mehr Mitglieder organisiert hat. Nach aktuellem Stand kommt der Tarifvertrag so nur in 16 der Betriebe überhaupt zur Anwendung.

Alles in allem fand der GDL-Streik 2021 sicher unter widrigen Bedingungen statt. Gerade die Corona-Pandemie gab der reaktionären Hetze notwendiges Futter gegen den Streik. Das Ergebnis ist dabei sicher nichts was man als großen Erfolg darstellen kann, auch wenn die EVG im vergangenen Jahr bereits einem noch deutlich schlechteren Abschluss zugestimmt hat. Eigenständige Streik und Protestaktionen kämpferischer Belegschaftsteile suchten man in dieser Tarifrunde leider vergebens. Der Streik bewegte sich dadurch in dem von der GDL-Führung vorgegebenen beschränkten Rahmen.